Die Kommunale Bühne Waiblingen führt nach dem großen Erfolg im vergangenen Jahr nochmals das Musical Anatevka auf. Dieses sei angesichts der Flüchtlingskrise mit seiner Thematik um antijüdische Pogrome brandaktuell.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Waiblingen - Irgendwas stimmt mit dem Text nicht. „Nicht jetzt! Ich habe Sorgen“, ruft Michael Davis als Tevje und schaut dabei etwas irritiert. „Das habe ich doch eben schon gesagt“, wundert er sich und blickt zur Soufleurin. Diese sagt: „Ja, aber da hat es nicht hingehört. Jetzt hätte es gestimmt.“ Also noch Mal diesen Teil der Szene. Fabian Brändle als armer Schneider Mottel und Nadin Ciftci als seine geliebte Zeitel gehen wieder in Positur, und der arme Milchmann beginnt erneut zu schimpfen über seine Töchter, die bei der Wahl ihrer zukünftigen Männer kein bisschen weniger dickköpfig sind als ihr Vater Tevje.

 

Ein kleines ukrainisches Dorf spiegelt die Welt wider

Die Geschichte im ukrainischen Dorf Anatevka um das Jahr 1905 ist ein Klassiker, entstanden aus den Tevje-Geschichten des jüdischen Schriftstellers Scholem Alechem. Die Geschichte des patriarchalisch auftretenden Tevje, der seine drei Töchter verheiraten will, spielt in einer Zeit, da die jüdische Bevölkerung wieder mehr durch rassistische Ressentiments bedroht ist. Pogrome hat es in der Gegend, in der die meisten osteuropäischen Juden lebten, immer wieder gegeben. In der Zeit vor der russischen Revolution drohen wieder Übergriffe. Am Schluss verlassen die Bewohner ihr Dorf und fliehen nach Amerika.

„Das Stück ist angesichts der Flüchtlinge, die zurzeit zu uns kommen, wieder brandaktuell“, sagt Michael Davis, Darsteller des Tevje und Vorsitzender des Vereins Kommunale Bühne Waiblingen. Aus diesem Grund und auch weil Anatevka im vergangenen Jahr ein so großer Erfolg beim Publikum in Weinstadt gewesen ist, wollten die Darsteller und das Bühnenteam, insgesamt rund 100 Theaterenthusiasten, noch einmal damit auftreten. „Anatevka wollte ich schon lange aufführen“, sagt Michael Davis, der vor ein paar Jahren als Mackie Messer im Kulturhaus Schwanen Eindruck hinterließ. Im Publikum war damals Susanne Heydenreich, die Intendantin des Theaters der Altstadt in Stuttgart. „Als ich sie gefragt habe, ob sie die Regie übernehmen würde, hat sie sofort zugesagt.“

Susanne Heydenreich führt wieder Regie

Und so ist die Schauspielerin und Regisseurin wieder ins Remstal gekommen, um die rund 40 Schauspieler umfassende Truppe wieder mit ihren Rollen vertraut zu machen. Nur wenige sind neu besetzt worden, die des Mottel aus gesundheitlichen Gründen. „Fabian Brändle hat die Rolle bereits gespielt. Von daher reicht ihm die kurze Zeit, die uns noch bleibt“, sagt Davis.

Auch in Waiblingen solle eine Veranstaltung die historischen und kulturellen Hintergründe beleuchten. Diese wird nach den Aufführungen stattfinden, der genaue Termin stehe allerdings noch nicht fest.