Die Kommunalpolitik entdeckt im Wahlkampf das Thema Nachtleben für sich und verspricht, in Stuttgart das Amt eines Nachtbürgermeisters einzuführen. Er soll mehr Befugnisse als der bundesweit bis jetzt einzige Nachtbürgermeister in Mannheim bekommen.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Wenn die Kommunalpolitiker ihr Versprechen halten, hat Stuttgart spätestens 2020 einen Nachtbürgermeister. Alle Fraktionen im Gemeinderat schreiben für die anstehende Kommunalwahl am 26. Mai ins Wahlprogramm, dass es dringend einen hauptamtlichen Vermittler zwischen Nachtleben, Behörden und Anwohnern in Stuttgart braucht, wie Grüne, CDU, SPD und SÖS/Linke-plus unserer Zeitung bestätigten. In der jüngsten Vergangenheit hatten sich vor allem rund um das Thema Sperrstunde die Konflikte dramatisch zugespitzt.

 

„Wir sind überzeugt, dass die Einrichtung einer Schnittstelle – ähnlich wie sie in Mannheim in Form eines Nachtbürgermeisters umgesetzt wurde – sinnvoll wäre, um zwischen den vielfältigen Interessen in einer pulsierenden Innenstadt zwischen Wohnen und Feiern zu vermitteln“, sagt Andreas Winter, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Seine Partei werde sich im kommenden Haushalt dafür einsetzen und freue sich, dass nun „sogar die CDU einen solchen Vorschlag“ mache.

„Die Forderung eines Nachtbürgermeisters ist beschlossener Teil unseres Wahlprogramms“, sagt Thrasivoulos Malliaras, politischer Referent der CDU-Gemeinderatsfraktion. „Wir möchten in aller Klarheit, dass in den anstehenden Beratungen zum Doppelhaushalt 2020/21 die Einrichtung eines solchen Amtes beschlossen wird.“ Dies werde die CDU beantragen.

Die Sperrstunde hat das Thema brisant gemacht

Auch die SPD spricht sich in aller Deutlichkeit für einen Nachtbürgermeister in Stuttgart aus. „Auch aus wirtschaftlicher Perspektive ist das Nachtleben inzwischen ein wichtiger Standortfaktor“, steht in einem Auszug des Wahlprogramms, das unserer Zeitung vorliegt. Für den Interessenausgleich halte die SPD eine in der Verwaltung angesiedelte Ombudsstelle für den richtigen Weg. Analog zu der Position des Nachtbürgermeisters in anderen Städten könne so ein Dialog in Gang gesetzt werden, der Bürger, Clubbetreiber und Stadtverwaltung an einen Tisch bringt.

Die Fraktion SÖS/Linke-plus ist für die Idee zumindest sehr aufgeschlossen, auch wenn sie die Forderung nicht ausformuliert hat. „Es wäre schön, wenn so eine sinnvolle Sache bereits mit dem nächsten Doppelhaushalt realisiert werden könnte“, sagt SÖS-Stadtrat Luigi Pantisano auf Anfrage unserer Zeitung. Das Gedankenexperiment eines Nachtbürgermeisters für Stuttgart hatte die Fraktion bereits in einem Antrag Ende 2018 gemacht.

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Konflikte zwischen Anwohnern und Feiernden sind natürlich nicht neu. Dennoch gewann das Thema besonders an Brisanz, nachdem die Stadtverwaltung in dem Areal um die Eberhardstraße und den Josef-Hirn-Platz die umstrittene Sperrstunde wieder eingeführt hatte. Das hatte zur Folge, dass die Clubs Dilayla, White Noise und Bar Romantica um 5 Uhr hätten schließen müssen. Ein Gericht hat das Vorgehen der Verwaltung zwar vorläufig kassiert. Beigelegt ist der Streit damit noch lange nicht.

Mächtiger als der Mannheimer Nachtbürgermeister

Auf den Weg gebracht hat die Idee eines Nachtbürgermeisters, der künftig in genau solchen Situationen vermitteln soll, das Klub Kollektiv Stuttgart. Der Verein war bei den Gemeinderatsfraktionen Klingeln putzen und hat das Amt eines Nachtbürgermeisters ins Spiel gebracht. Offenbar hat der Verein, in dem etwa 40 Institutionen des Stuttgarter Nachtlebens organisiert sind, Überzeugungsarbeit geleistet, dem Vorbild Mannheim zu folgen.

Das ist die erste Stadt bundesweit, die einen Nachtbürgermeister hat. Der Stuttgarter Nachbürgermeister soll allerdings mit deutlich mehr Befugnissen ausgestattet sein. Anders als der Mannheimer Bürgermeister, der auf der Gehaltsliste eines Clubverbands steht, soll der in Stuttgart nämlich direkt bei der Stabstelle des Kulturbürgermeisters oder zumindest im Kulturamt angesiedelt sein.

Der Mannheimer Nachtbürgermeister ist der 27 Jahre alte Student Hendrik Meier. Dort gab es 40 Bewerbungen auf die Stelle. Rechnet man das auf die Einwohnerzahl Stuttgarts hoch, dürfte der Andrang mindestens doppelt so hoch sein.