Die Alternative für Deutschland tritt selbst in größeren Städten nur mit Rumpflisten an. Daran könnte ihr Einzug in viele Gemeinderäte scheitern. Besonders schwer tut sich die Partei im Umkreis Stuttgarts und am Bodensee.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Stuttgart - Bei der anstehenden Kommunalwahl wird die Alternative für Deutschland (AfD) teilweise nur Zuschauer sein. Selbst in den großen Städten hat sie es meist nicht geschafft, komplette Listen zusammenzustellen. Das zeigt ein Blick in die Städte mit mehr als 50 000 Einwohnern. 25 Kommunen – von Stuttgart bis Lörrach – fallen im Land in diese Kategorie. Wie eine Recherche unserer Zeitung ergab, reichte die Partei in sechs von ihnen überhaupt keine Wahlvorschläge ein, in vielen weiteren Städten sind die AfD-Listen sehr kurz. Demgegenüber treten CDU, Grüne, SPD, Freie Wähler und FDP überall in Mannschaftsstärke an. Die Linke muss lediglich in Waiblingen, Villingen-Schwenningen und Offenburg passen.

 

Komplette Listen sind wichtig, weil sie sicherstellen, dass keine Stimmen verloren gehen. Doch die AfD hat sie nur in sechs der 25 Städte, nämlich in Stuttgart, Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg, Pforzheim und Baden-Baden, zusammenbekommen. In Freiburg, der viertgrößten Stadt im Land, kandidiert sie lediglich mit 24 Vertretern. Gibt ein Wähler dort die AfD-Liste unverändert ab, verfällt die Hälfte seiner insgesamt 48 Stimmen.

Wer dies vermeiden will, muss panaschieren – also auch Kandidaten anderer Parteien wählen – oder kumulieren. Dabei können einem einzelnen Bewerber bis zu drei Stimmen gegeben werden. Allerdings hilft dies nicht, wenn, wie in Tübingen, Ulm und Lörrach, auf der Liste nur vier Bewerber stehen, so dass die AfD maximal zwölf der dort 40 möglichen Stimmen abschöpfen kann. In Sindelfingen (drei Bewerber) sind es sogar nur neun Stimmen. Dies ist ein klarer Nachteil, der den Einzug in einen Gemeinderat gefährden kann.

Kandidatenmangel bedeutet Stimmenverluste

Offenbar hat die AfD ein landesweites Rekrutierungsproblem. Es sei ihm wichtig gewesen, bei der Kandidatensuche niemanden überreden zu müssen, sagte der Offenburger AfD-Stadtrat Taras Maygutiak bei der Vorstellung seiner Liste. Er kam am Ende auf 13 Kandidaten. Selbst in Heilbronn, bei der Bundestags- und der Landtagswahl noch eine Hochburg der Partei, gab es nicht genügend Freiwillige. Dort hatte die AfD-Bundestagsabgeordnete Franziska Gminder eine komplette Liste angekündigt. Nun sind nur 36 von 40 Plätzen belegt.

Konkurrenz anderer Rechts-Parteien

Belastend mag hier die Vorgeschichte gewirkt haben. Denn obwohl die Partei bereits vor fünf Jahren in den Heilbronner Gemeinderat eingezogen war, startet sie zum Urnengang am 26. Mai wieder als außerparlamentarische Opposition. Der Grund: Alle vier AfD-Stadträte, die vor fünf Jahren den Sprung ins Gremium geschafft hatten, verließen später die Partei. Ein ähnliches Schicksal ereilte die AfD-Fraktionen in Stuttgart und Mannheim.

Auch in Villingen-Schwenningen gab es Auflösungstendenzen. Dort hat die AfD zudem eine etablierte Konkurrenz von rechts. Seit 2004 sitzt die rechtsextreme Deutsche Liga für Volk und Heimat im Gemeinderat. Bei der Kommunalwahl tritt sie mit einer vollständigen vierzigköpfigen Liste an, während die AfD nur 14 Kandidaten aufbietet. In Reutlingen wird die AfD vom Bündnis Vielfalt übertroffen, einem Zusammenschluss von Migranten, der sich nicht zuletzt als Reaktion auf die AfD gründete. Das Bündnis hat 14 Kandidaten, die AfD nur 13.

Im Kreis Konstanz wird es besonders eng

Im Stuttgarter Umland und am Bodensee tat sich die Partei bei der Kandidatenfindung besonders schwer. In den Städten Ludwigsburg, Esslingen, Konstanz, Schwäbisch Gmünd, Friedrichshafen und Ravensburg wird es überhaupt keine AfD-Listen geben. Die Partei habe beschlossen, „bei den Kommunalwahlen den Schwerpunkt auf die Kreistagswahl zu legen, da wir dort auf die Politik der Region am effizientesten einwirken können“, erklärte ein Sprecher der Kreispartei in Konstanz.

Auch in den beiden anderen Großen Kreisstädten des Landkreises, Radolfzell (31 000 Einwohner) und Singen (47 700), verzichtet man auf eigene Kandidaten. Offenbar macht der Partei noch der Konflikt über den Singener Landtagsabgeordneten und Ex-Kreischef Wolfgang Gedeon zu schaffen. Wegen eines Streits über antisemitische Posi tionen ist er aus der Landtagsfraktion ausgetreten, er ist aber noch Mitglied der Kreispartei.

Bei der Kreistagswahl, die nach dem gleichen System funktioniert wie Gemeinderatswahlen, benötigt die AfD deutlich weniger Bewerber. Über die Aufstellung von Rumpflisten kam die AfD im Kreis Konstanz dennoch nicht hinaus. So stehen bei CDU, SPD und Grünen im Wahlbezirk Konstanz jeweils 31 Namen auf der Vorschlagsliste, bei der AfD nur einer. In einem anderen Wahlbezirk hat sie überhaupt keine Bewerber.

Im Kreis Ravensburg fällt die Kreistagswahl für die AfD sogar komplett aus. Dort wurde nur für die Europawahl plakatiert. Die Landespartei äußerte sich nicht zu den Problemen in den Kreisen. Mehrere Nachfragen blieben unbeantwortet.