„Du hast die Wahl“, „Man bewegt nichts, wenn man sich selbst nicht bewegt“: Diese und weitere Botschaften sprühen Gaffiti-Künstler in offizieller Mission auf Stuttgarter Wände, um Erstwähler zu motivieren.

Stuttgart - Die Stadtverwaltung wagt sich auf unbekanntes Terrain – und tummelt sich in der Graffitiszene. Ende Dezember hatte der Gemeinderat den Startschuss für eine Kampagne zur Kommunalwahl gegeben, seither brüten Verwaltungsbeamte über Ideen abseits der üblichen Flyer und Plakate. Neben den sogenannten City Cards – Postkarten mit zwölf verschiedenen Instagram-Motiven von Stuttgart, die in Restaurants und Kneipen ausgelegt werden – sind fünf Graffiti geplant. Seit März wird in der Stadt gesprüht – vom Stuttgarter Osten über Vaihingen und Botnang bis Freiberg. „Mit den Aktionen sollen vor allem Erstwähler mobilisiert werden,“ sagt der Projektleiter Helmut Müller (64) aus der Kommunikationsabteilung der Stadt.

 

Der Kontakt zu den Künstlern wurde über Florian Schupp (38) hergestellt. Er ist seit 14 Jahren Graffiti-Beauftragter der Stuttgarter Jugendhausgesellschaft und Leiter des „Projekt Farbe“. Inzwischen haben fünf kreative Köpfe die Entwürfe für die vom Tiefbauamt genehmigten Stellen ausgearbeitet. Vorgaben, was die Motive betrifft, gab es nicht, nur den Wunsch, den Namen der Kampagne „Meine Stimme für Stuttgart“ einzubinden. Drei der Kunstwerke wurden bereits realisiert.

Der Slogan des Wahl-O-Mats

Am Donnerstagvormittag kniet Georg Waibel (28) an einer Wand am Schillerplatz in Vaihingen und skizziert seine Botschaft auf ein zuvor angelegtes Raster. Gemeinsam mit Philipp Becker (27) arbeitet er seit mittlerweile zehn Jahren als Duo „One Two Splash“. Für die Kommunalwahl besprühen die beiden insgesamt zwei Wände im Stadtgebiet. Um parteiunabhängig zu bleiben, entschieden sie sich für den Spruch „Du hast die Wahl“ – einen Slogan. der seit Jahren auch für den Wahl-o-Mat verwendet wird. „Du hast die Wahl“ zieht sich nun kunterbunt über die lange Mauer zwischen Apotheke und Matratzenladen. An anderer Stelle ist die Abbildung eines Wahlzettels mit einem Kreuz und das Logo der Kommunalwahl zu sehen.

Den beiden Künstlern ist das Thema eine Herzensangelegenheit: „Die Fridays-for-Future-Aktionen haben das Bewusstsein junger Menschen für politisches Engagement geschärft. Deshalb ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um diese Generation mit der Wahlwerbung anzusprechen,“ sagt Georg. „Das Recht, wählen zu gehen, sollte man nutzen. Die Menschen in anderen Ländern beneiden uns darum.“

Sprayer rufen Polizei auf den Plan

Bereits im März hatten Steffen Matuschowitz (22) und Jan David Ducks ihren Fantasien freien Lauf gelassen. Über einem Fußgängertunnel in Freiberg prangen die Lettern aus der Spraydose von Ducks: „Du hast die Wahl“ und „Man bewegt nichts, wenn man sich selbst nicht bewegt“. Steffen Matuschowitz sagt: „Ich gehe auf jeden Fall wählen und hoffe, dass mein Graffito viele junge Leute motiviert, das auch zu tun.“

In der Willi-Bleicher-Straße in der Innenstadt hatte Steffen zwei Jugendliche gesprüht, die Wahlzettel einwerfen. „Manche Passanten haben nachgefragt und fanden es im Gespräch gut, dass die Stadt so was macht“, sagt Matuschowitz. Die Polizei wäre am laufenden Band vorbeigekommen. „Deswegen tragen wir Arbeitshosen und haben ein Malerflies ausgerollt“, sagt Philipp Becker, einer der Sprayer aus Vaihingen. Das gebe der Arbeit einen offiziellen Anstrich.

Projektleiter Müller ist jetzt schon zufrieden. Die Kunstwerke seien kreativ und würden Aufmerksamkeit erregen.