Nicht mal eine Wahlparty hatten sie geplant, so unsicher waren sie sich, ob sie es überhaupt den Gemeinderat schaffen würden. Doch die Studentische Liste ist nun mit dem 24-jährigen Christian Walter im Rathaus vertreten. Er will Ansprechpartner für die jungen Stuttgarter werden.
Stuttgart - Eigentlich war das ganze eine „Schnapsidee“. An einem Abend im März unterhalten sich einige Stuttgarter Studenten in ihrem Wohnheim darüber, wie schwer es ist, bezahlbaren Wohnraum in ihrer Stadt zu finden. Doch sie wollen sich nicht nur beschweren, sondern auch aktiv werden – und kandidieren: Am 25. Mai konnten die Bürger in Stuttgart ihre Stimmen bei der Kommunalwahl auch der "Studentischen Liste“ geben. Einige taten das, immerhin 1,2% der Wähler.
„Wir haben am Sonntagabend alle gemeinsam die Prognosen im Fernsehen verfolgt. Als wir am Dienstag dann das offizielle Ergebnis einsehen konnten, sind wir spontan feiern gegangen“, sagt der 24-jährige Christian Walter. Er stand ganz oben auf der „Studentischen Liste“ und ist somit jetzt das jüngste Mitglied im Gemeinderat. Bevor sich der im Juli offiziell konstituiert und dann erst die eigentliche Arbeit beginnt, überwiegt zunächst die Freude über den errungenen Sitz. „Das ist ein Riesenerfolg für uns“, so Walter. Sicher gäbe es unter den übrigen 22 Kandidaten den einen oder anderen, der über sein persönliches Ergebnis enttäuscht sei, doch „mehr wäre mit unseren Mitteln utopisch gewesen“.
Walter: „Wir hatten kein einziges Plakat“
Große Zweifel hätten sie lange vor der Wahl gehabt, ob sie alle Formalitäten erfüllen und die nötigen 250 Unterschriften würden sammeln können. Sie konnten, wenn auch auf den allerletzten Drücker. „Allein unsere Kandidatur auf die Beine zu stellen, war schon ein großer Erfolg für uns. Dass wir jetzt auch noch einen Sitz errungen haben, ist für uns quasi das Sahnehäubchen“, freut sich Christian Walter. Dabei sah auch ihr Wahlkampf anders aus, als bei den meisten anderen Parteien. „Wir hatten tatsächlich kein einziges Plakat. Bei uns lief sehr viel über persönliche Gespräche und über Facebook, die Berichterstattung in den Zeitungen hat uns auch noch einiges an Aufmerksamkeit beschert.“ Natürlich habe man auch auf den Zusammenhalt der Stuttgarter Studenten gehofft.
Gerade die Themen, mit denen Walter in den Gemeinderat einzieht, werden unter Studenten heiß diskutiert: Der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, die Erhaltung von Clubs und die Abschaffung ihrer Sperrzeiten sowie natürlich die Wohnungsproblematik. Patentlösungen könne er auch nicht aus dem Hut zaubern, meint er, aber nach fünf Jahren wolle er zeigen können, dass er etwas bewirkt habe. Daher versucht er, sich zwischen den älteren und erfahreneren Gemeinderäten nach und nach zu behaupten und will sich bei diesen besonders relevanten Themen Mitstreiter suchen.
Politik für Jungendliche interessanter machen
Eigentlich will Christian Walter Lehrer werden. „Das ist mein absoluter Traumberuf – und daran wird vermutlich auch meine Tätigkeit im Gemeinderat nichts ändern“, glaubt er. Daher studiert er im Moment gymnasiales Lehramt für Deutsch, Sport und Wirtschaft / Politik an der Uni Stuttgart. Sein Studium nähert sich bereits dem Ende, „von daher denke ich, dass ich das zusammen mit meiner politischen Tätigkeit ganz gut unter einen Hut bringen werde.“ Notfalls müsse er ein Semester dranhängen, scherzt er. Am 24. Juli beginnt sein „Abenteuer“ dann ganz offiziell.
Bei den nächsten Wahlen werden er und seine Mitstreiter vermutlich alle nicht mehr studieren. Doch die Studentische Liste soll erhalten bleiben. Wie genau, lote man gerade aus. Schließlich will das Team um Christian Walter auch versuchen, die junge Generation für Politik zu begeistern: „Ich möchte auch Ansprechpartner für junge Menschen sein und aus dem Gemeinderat heraus so informieren, dass es auch für Jugendliche interessant ist. Vielleicht kann tatsächlich eine Bewegung entstehen, die die Kommunalwahl für die Jüngeren greifbarer und spannender macht.“ So will er auch dafür sorgen, dass künftig wieder mehr Menschen aus seiner Altersgruppe an die Wahlurne gehen und das Interesse für die Politik wächst. Das wäre dann nicht nur ein Erfolg für die Studentische Liste, sondern für das junge Stuttgart insgesamt.