Bei der Bundestagswahl waren Facebook und Twitter nicht wegzudenken, aber helfen soziale Medien auch beim Wahlkampf auf kommunaler und regionaler Ebene? Die Bilanz der Stuttgarter Kandidaten ist gemischt.

Stuttgart - Bei der Bundestagswahl waren die sozialen Medien nicht wegzudenken. Facebook, Twitter und Co. boomten wie bei keiner Wahl zuvor. Doch wie sieht es hier in Stuttgart aus? Wir haben bei Parteimitgliedern nachgehakt, wie sie zu den sozialen Netzwerken stehen.

 

 

Walser: „Den perfekten Plan haben wir noch nicht“

Sie ist mit Facebook, Twitter und Co. aufgewachsen. Als sogenannter Digital Native könnte Roberta Walser bezeichnet werden. Die 19-jährige Jungpolitikerin engagiert sich schon seit mehreren Jahren für die Politik in der Region Stuttgart. Sie startete für die SPD bei der Kommunalwahl vergangene Woche von Listenplatz 20, verpasste aber den Einzug in den Gemeinderat. Den Wahlkampf dafür hat sie unter anderem über Facebook betrieben: „Als junge Organisation haben wir versucht, einiges im Social-Media-Bereich zu machen. Man sollte aber aufpassen, die User nicht ständig mit ‚Politik-Gedöhns‘ zu nerven. Postings sollten sich im Rahmen halten“, sagte Roberta Walser. Mit ihrer Partei organisierte sie für Facebook Fotoshootings und berichtete über verschiedene Events. Eines müsse sich in Zukunft aber noch ändern, wie sie kurz nach der Bekanntgabe der Ergebnisse im Interview erzählt: „Wir wissen zwar, wie und was man am besten postet. Den perfekten Plan haben wir aber noch nicht.“ Bis zur nächsten Wahl kann sich das ja geändert haben.

Ozasek: Emotionen sind der Schlüssel

Die Linke verzichtet ebenfalls nicht darauf, durch Social Media die Partei voranzubringen. Christoph Ozasek (27) ist Regionalrat und schätzt Facebook als Plattform. Ein Twitter-Account habe er zwar, benutze ihn aber kaum. Er ist sich sicher, dass Emotionalität extrem wichtig für die Userbindung ist, sei es durch eine Erfolgsmeldung oder eine traurige Nachricht. Und da habe Social Media einen klaren Vorteil gegenüber den klassischen Wahlplakaten, findet Ozasek und ergänzt: „Parteien müssen mit ihrer Wählerschaft in engem Kontakt bleiben. Offline wird das schwierig, denn viele Parteien setzen bei Wahlplakaten nur noch auf inhaltsleere ‚Wohlfühlsoße‘ aus der Werbeagentur.“

Kölmel: „Weder Zwang, noch wünschenswert“

Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) hat klare Regelungen, wenn es um das Thema Social Media geht. Für die sozialen Netzwerke gibt es eine eigene Redaktion, zwischen drei und sechs Mitglieder kümmern sich dort um den Facebook- und Twitteraccount. Bernd Kölmel, Sprecher des Landesvorstandes Baden-Württemberg unterstreicht die Wichtigkeit der sozialen Netzwerke: „Social Media ist weder ‚Zwang‘ noch ‚wünschenswert‘. Es ist einfach Fakt, dass immer mehr Menschen aus allen Ebenen der Gesellschaft darüber kommunizieren. Jede Partei sollte diese Medien daher ernst nehmen. Eine Partei lebt vom lebendigen Diskurs.“

Walter: „Wir hätten es uns einfacher vorgestellt“

Motiviert ist die Studentische Liste an das Thema Social Media gegangen. Viele der jungen Mitglieder haben einen Facebook- oder Twitteraccount und waren überzeugt, sehr schnell viele Fans für die offizielle Partei-Seite zu gewinnen. Doch da lagen sie falsch. Heute hat die Facebook-Page der Studentischen Liste 406 Fans (Stand: 3. Juni, 17.50 Uhr). Für Mitbegründer Christian Walter (24) eigentlich zu wenig: „Wir hätten es uns leichter vorgestellt. Allein durch den Freundeskreis der Kandidaten hätten wir vierstellig werden müssen, dann hätte sich unsere Seite stärker verbreitet.“ Trotz des geringen Erfolges der Facebook-Seite kann sich die Partei über einen Sitz im Gemeinderat freuen. Da vergisst man auch zügig den Misserfolg in den sozialen Netzwerken. „Wir haben bei der Wahl so gut wie erhofft abgeschnitten, besser als erwartet. Damit haben wir eigentlich fast alles richtig gemacht. Zumal wir mangels Geld für Plakate gar keine andere Wahl hatten und haben. Die finden wir aber eh nicht gut“, schildert Walter.

In Stuttgart jedenfalls stellen die sozialen Netzwerke die Parteien und Gruppierungen noch vor Herausforderungen. Hier und da wird an Methoden und Werkzeugen gefeilt, ein Masterplan ist noch nicht gefunden. Die Politiker betonen aber, dass Social Media ein Thema ist und als solches auch sehr ernst genommen wird. Es bleibt somit abzuwarten, wie die Parteien in der nächsten Zeit mit dem Thema umgehen. Die Tendenz zum Wahlkampf 2.0 ist auf jeden Fall auch bei der Kommunalwahl in Stuttgart erkennbar gewesen – wenn auch deutlich weniger ausgeprägt als bei der Bundestagswahl.