Der Trend der Kommunalwahl zeigt sich in einem Stuttgarter Stadtteil besonders extrem: in Stuttgart-Münster gewinnt die CDU die meisten Stimmen, während die SPD viele Wähler verliert. Eine Reportage aus dem unscheinbaren Stadtteil am Neckar.

Stuttgart - Vogelgezwitscher, ein Fluss plätschert im Tal vor sich hin und zwischen den kleinen Einfamilienhäusern mit ordentlich gepflegtem Vorgarten blitzen im Hintergrund die Weinreben hervor. Nein, dieses Szenario findet sich nicht in einem 700 Seelen Dorf mitten auf der Schwäbischen Alb. Um das zu sehen, muss sich der Stuttgarter nur in die U14 nach Stuttgart-Münster setzten - ein kleiner Stadtteil im Nordosten Stuttgarts, in dem die Hektik und der Lärm Stuttgarts noch keinen Einzug gefunden haben.

 

Bemerkenswerte Wahl

Münster ist ein wenig unscheinbar, traditionell, bürgerlich. Mit nur knapp 5000 hat Münster die wenigsten Wahlberechtigten in Stuttgart. Allerdings haben die Bürger in Münster bei der Kommunalwahl am extremsten gewählt: Für die CDU gab es einen sattes Plus von mehr als neun Prozentpunkten im Vergleich zur letzten Kommunalwahl im Jahr 2009. 35,4 Prozent der Münsterer gaben dieses Mal ihre Stimmen den Christdemokraten. Was die CDU in Münster dazugewinnt, verliert die SPD: Sie kommt nur auf 17 Prozent, ein Verlust von 8,5 Prozentpunkten. Bei der letzten Wahl waren beide Parteien noch beinahe gleichauf mit je rund 25 Prozent der Stimmen. Zwar ist der Aufwärtstrend der CDU in ganz Stuttgart sichtbar, aber warum ist er hier so extrem? Woher kommt der Stimmenverlust bei der SPD?

 
http://www.map-embed.com

Gartenarbeit statt Politik

Auf der Straße kann das niemand beantworten, denn um 19 Uhr sind die Straßen in Münster bereits ausgestorben. Ein paar ältere Damen zupfen im Vorgarten Unkraut, einige wenige behalten den Überblick über Münster aus ihren Fenstern heraus. Über Politik möchten sie nicht reden.

Normalerweise wählen Bürger bemerkenswert anders, wenn sie unzufrieden mit der momentanen Regierung sind. Doch Unzufriedenheit ist an diesem friedlichen Ort nicht spürbar. Die wenigen Wahlplakate, die noch hängen, sind nicht beschmiert. Sogar die vereinzelten Graffiti in einem Hinterhof sind freundlich: Statt „Fuck you!“ oder ähnlichen Parolen zeigen sie hauptsächlich Peace-Zeichen.

Mappus ist vergessen

Drei Jugendliche am Straßenrand des „Dreiecksplätzles“ haben ihre eigene Interpretation der Wahlergebnisse: Hier gäbe es ja nur noch Alte, die wählen die CDU. Die Jüngeren seien mittlerweile alle weggezogen. Ganz so Unrecht haben sie damit nicht. In Münster wohnen tatsächlich viele ältere, alleinstehende Menschen. Knapp die Hälfte aller Haushalte bestehen nur aus einer Person. „Ist halt nichts los hier, ziemlich ab vom Schuss, das zieht die alten CDUler an“, sagt ein Mädchen mit blauen Haaren. Selbst ist sie nicht zur Wahl gegangen, obwohl sie bereits wahlberechtigt ist.

Neben dem Vogelzwitschern und dem Wimmern eines Babys dringt der einzige Lärm in Münster aus einer kleinen Bar, sonst ist nichts los. Die 13 Anwesenden reden über Fußball oder spielen Dart, einige haben ein Vereins-Shirt an. Die Gemeinderatswahl ist bei keinem ein Thema. Nur ein älterer Herr auf einem Barhocker gibt einen Kommentar ab: „Die Sache mit Mappus damals hat einige aufgebracht. Wegen Stuttgart 21. Aber das ist mittlerweile ja auch lange her, das hat man wieder vergessen.“

Bei Rot stehen

Auch auf dem Weg zur Stadtbahn-Station Münster Rathaus winken die wenigen Leute auf der Straße nur noch ab beim Thema Stutttgart 21 und Kommunalwahl. Es ist ein seltener Anblick in Stuttgart, dass jeder bei einer roten Ampel wartet, obwohl weit und breit kein Auto auf der Straße zu sehen ist. Aber jetzt schält die Ampel um, da ist das Überqueren der Straße wichtiger als Debatten zur Kommunalwahl.

Vor allem bei kleinen Wahlbezirken wie Münster schlagen sich andere Wahlergebnisse prozentual besonders stark nieder. Doch der Stimmenzuwachs der CDU und der Verlust der SPD in Münster ist wohl weniger als aktiver politischer Denkzettel an den alten Gemeinderat zu sehen. Dazu ist der ruhige Ort zu wenig aufgebracht. Es scheint eher, als sei man nach den Aufregungen um Stuttgart 21 wieder zum Status Quo zurückgekehrt. Aber wer weiß – vielleicht sorgt Münster auch bei der nächsten Wahl in fünf Jahren wieder für ein überraschendes Ergebnis.