Freudental ist die kleinste Gemeinde im Kreis Ludwigsburg, das Rathaus der größte Arbeitgeber. Wie wird in einem solchen Dorf Wahlkampf geführt? Wir haben uns in der schönen Kommune umgeschaut.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Freudental - Wer die Auswirkungen ertragen muss, empfindet den Straßenverkehr als Fluch. In Freudental ist er aber partiell auch Segen. Zumindest hinsichtlich eines lange gehegten Wunsches: Seit Jahren hoffen die Einwohner des Ortes im nordwestlichen Zipfel des Landkreises Ludwigsburg auf einen Lebensmittelladen. Jetzt bekommen sie ihn. „Penny kommt aber nicht wegen 2500 einkaufswilliger Freudentaler, sondern weil wir ein Verkehrsknotenpunkt sind“, sagt Bürgermeister Alexander Fleig.

 

10 000 Fahrzeuge passieren den Ort täglich: Tripsdrill-Touristen, Pendlerverkehr, Lastwagen. Reichlich Menschen also, die einen Einkaufs-Zwischenstopp einlegen könnten. Ebenso wie die künftigen Bewohner des neuen Baugebietes Alleenfeld, das in Nachbarschaft zu dem Discounter entwickelt wird. Der zufriedene Bürgermeister spricht von einem Quantensprung für die Gemeinde, die Außenstehende am ehesten durch die ehemalige Synagoge – heute ein Kulturzentrum mit reichem Programm – kennen. Oder durch das Schloss aus dem 18. Jahrhundert, das allerdings seit 2007 in Privatbesitz ist.

Ein Loblied auf den Kompromiss

Wo kaufen wir ein? Wo gibt’s noch Bauplätze? Wann kann die Kindergartengruppe aus ihrem Interimsquartier zurück in ihre sanierten Räume? Kann der Mannschaftstransportwagen für die Freiwillige Feuerwehr früher als geplant angeschafft werden? Welche Pflöcke muss man einschlagen, damit die Bürger auch im Alter im Ort bleiben können? Menschen, die in einer Mini-Kommune wie Freudental Politik machen, in der die Gemeinde selbst und das Kleeblatt-Heim die größten Arbeitgeber sind, debattieren sich die Köpfe nicht über Mega-Industriebauten oder Stadtbahn-Pläne heiß. Alles ist ein paar Nummern kleiner. Auch die Zahl der Kandidatenlisten. Es treten an: die CDU (aktuell fünf Sitze), die SPD (zwei Sitze) und die Bürgergruppe Freudental (fünf Sitze).

Weniger Leidenschaft waltet im Freudentaler Zwölf-Mitglieder-Gemeinderat deswegen mitnichten. Kein Wunder: In einem so kleinen Gemeinwesen betrifft jede Entscheidung jeden Bürger unmittelbar. Konfrontativ geht’s aber selten zu. Vielleicht sind es oft gerade kleine Orte von Freudentaler Format, in denen die Tugend besonders aufblüht, der Angela Merkel kürzlich in ihrer Ravensburger Rede ein Loblied sang: die Tugend der Kompromissbereitschaft.

Der Mikrokosmos funktioniert

„Auch wenn wir verschiedene Ansichten haben: Im Endeffekt sind wir Kameraden, die gemeinsam für eine schöne Gemeinde kämpfen“, sagt Ulrich Greß. „Und wir wollen uns auch nach einer kontroversen Debatte noch in die Augen schauen können.“ Der Werkzeugmachermeister im Ruhestand, ehrenamtlicher Stellvertreter des Bürgermeisters, sitzt für die CDU im Gemeinderat. Andere runterzubuttern, um selbst besser wegzukommen, das komme nicht in Frage, findet der 75-Jährige. Auch nicht im Wahlkampf.

Die Kandidatenlisten zu füllen, ist dennoch kein Zuckerschlecken. Dass sich im Ort viele Menschen kennen und in Vereinen gemeinsame Sache machen, ist kein Garant dafür, dass qua Nähe Mitstreiter für ein kommunalpolitisches Amt leichter zu gewinnen sind. So treten die Sozialdemokraten mit gerade mal sechs statt mit möglichen zwölf Aspiranten an. „Es war sehr schwierig, Kandidaten zu finden. Vor allem bei den jüngeren Leuten. Die einen haben zu viel zu tun, die anderen haben keine Lust“, erzählt SPD-Urgestein Hans Jürgen Brockhaus. Besser sieht es bei der CDU mit elf Kandidaten aus. Und die Liste der Bürgergruppe ist voll: Alle Generationen sind vertreten, die jüngste Kandidatin ist 19 Jahre alt.

Die Bürgergruppe ist im Aufwind

Gleich nach ihrer Gründung vor 30 Jahren gewann die Bürgergruppe – ein aus einer Bürgerinitiative entstandener Verein von Freudentalern, die sich vor keinen parteipolitischen Karren spannen lassen wollten – vier Gemeinderatssitze. Seitdem sitzt sie im Ortsparlament fest im Sattel. Der Verein organisiert aber auch Sonnwendfeiern, Kinderferienprogramme oder naturkundliche Führungen. „Dass alle unsere Kandidaten Vereinsmitglieder der Bürgergruppe sind, darauf bin ich schon stolz“, sagt der Vorsitzende Steffen Grob. Auf den Listen von CDU und SPD stünden ja durchaus nicht nur Parteimitglieder. Doch letztlich, sagt der Informatiker Grob, der vor 27 Jahren nach Freudental zog, sei eine Kommunalwahl gerade in kleinen Orten noch stärker eine Persönlichkeitswahl als in einer großen Stadt.

1980 Wahlberechtigte können am Sonntag ihre Stimmen für den Gemeinderat abgeben, die Beteiligung ist erfahrungsgemäß hoch. Alexander Fleig, seit 2012 im Amt, hält auf den funktionierenden Mikrokosmos Freudental und seinen gut miteinander geschirrenden Gemeinderat große Stücke. Sein Verwaltungsteam aus neun Mitarbeitern ist am Wahltag selbstredend eingespannt. Es gibt exakt ein Wahllokal. Bei zweien würde es schon schwierig, die Wahl personell zu stemmen. „Auch so“, sagt Fleig, „ist es schon ziemlich fordernd.“