Bietigheim-Bissingen prosperiert: Eine gute Ausgangsbasis für den Gemeinderat. Besser machen kann man aber noch vieles, finden die Fraktionen – und gehen mit unterschiedlichen Ansätzen in den Wahlkampf-Endspurt.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Bietigheim-Bissingen - Das Konto ist schuldenfrei, die Zahl der prosperierenden Unternehmen ist Legion, Gewerbe- und Grundsteuer sind laut Oberbürgermeister Jürgen Kessing (SPD) „konkurrenzlos günstig“ und in Bildung, Betreuung oder Sportstätten kann Bietigheim-Bissingen mit vollen Händen investieren. Eine vergleichsweise komfortable Ausgangslage für einen Gemeinderat. Es geht aber vieles noch besser, finden die Stadträte der 43 000- Einwohner-Stadt – und wollen es nach den Wahlen anpacken.

 

Junge wollen ran

Die Parteien setzen auf einen Mix aus neuen Gesichtern und alten Hasen. Das weibliche Geschlecht ist unterschiedlich gut vertreten: Die meisten Frauen finden sich auf dem Stimmzettel der Grün-Alternativen Liste (14), gefolgt von der SPD (neun), der CDU (sieben) und den Freien Wählern (sechs). „Schade, dass sich relativ wenig Frauen haben hinreißen lassen“, findet der Freie-Wähler-Ortsverbandsvorsitzende Stephan Muck. Auch bei den jungen Kandidaten kann die Grün-Alternative Liste (GAL) mit der größten Anzahl punkten: Sieben sind unter 30 Jahre alt, drei gar erst 20 oder jünger. Dicht gefolgt von der CDU mit sechs Aspiranten unter 30 – dabei die jüngste amtierende Bietigheim-Bissinger Stadträtin, die 23-jährige Tabea Gailing. Die Freien Wähler haben vier U30-Kandidaten auf der Liste, die SPD zwei junge Männer und die FDP eine junge Frau.

Hate-Posts im Netz

Wertschätzt die Bevölkerung, dass viele Junge mitmischen wollen? Im Allgemeinen ja – doch die 21-jährige Auszubildende Jasmin Lieb, die für die FDP antritt, sah sich auf der Facebook-Seite der Liberalen mit üblen Kommentaren konfrontiert. „Noch keine Scheiße im Leben gefressen und will einem dann erzählen, was Sache ist“ lautete einer, „Solche Menschen müssen erst mal lernen, was es heißt, Dreck zu fressen, dann kann man sie auch auf unsere heutige, schwierige Gesellschaft loslassen“ ein anderer. Jasmin Lieb reagierte souverän. FDP-Ortsverbandsvorsitzender Elmar Schwager sagt: „Face to Face traut sich das keiner. Da wird zwar argumentiert, aber im Rahmen der Höflichkeit. Und da lassen zumindest wir die jungen Kandidaten auch nicht alleine.“

Die Sitze der anderen im Blick

Bisher hält die CDU mit zehn Sitzen die Mehrheit, gefolgt von der SPD (acht Sitze) und den Freien Wählern (sieben Sitze). Letztere hoffen aber, aus der bundesweiten Schwäche der SPD Kapital zu schlagen und ihr vor Ort einen Sitz abluchsen zu können. Die GAL will ihre fünf Sitze halten, „jeden darüber hinaus nehmen wir gern“, sagt Traute Theurer. Die FDP möchte ihre zwei Sitze gar verdoppeln.

Kostenloses Busfahren, gebührenfreie Kitas

Die großen Themen heißen in Bietigheim-Bissingen bei Volksvertretern aller Couleur bezahlbares Wohnen, drohender Verkehrskollaps und ergo bessere ÖPNV-Angebote, Ausbau der Ganztagesbetreuung und Renovierung sowie Erweiterung von Sportstätten. Die CDU wirft OB Kessing, der SPD und der GAL vor, „aus ideologischen Gründen die wichtigsten Ansätze für eine wesentliche Verkehrsverringerung abzulehnen“, so Stadtverbandsvorsitzender Kai Hofmann. Diese sei nur mit Umfahrungen oder Untertunnelungen zu lösen. Der innerstädtische Verkehr könne stärker auf Busse umgelegt werden, Busfahrten für die Bürger sollten kostenfrei sein, fordert die CDU. Die SPD geht mit der Forderung nach gebührenfreien Kitas, einem Ein-Euro-Stadt-Ticket und einem besseren Radwegenetz ins Rennen.

Flächenfraß und Zersiedelung

„Bezahlbarer Wohnraum ist das Megathema, als erste Fraktion hat die SPD schon 2015 einen Antrag zur Wohnoffensive gestellt“, sagt Stadtrat Thomas Reusch-Frey. Grundsätzlich setze man auf „konstruktive, nicht auf Verhinderungspolitik“. Der GAL brennt, so Fraktionschefin Traute Theurer, „das Thema Verkehr und die Zersiedelung der Landschaft mit dem Flächenfraß und dem Heißhunger auf die Ausweisung von Gewerbegebieten“ auf den Nägeln. Das Artensterben sowieso. Transparenz, Bürgernähe und Nachhaltigkeit sind Schlagworte, mit denen die Freien Wähler um Stimmen werben, die FDP zählt Digitalisierung und Bürgernähe zu ihren Hauptanliegen – und legt gern den Finger in die Wunde, wenn „strittige Fragen in nicht abstimmungsfähiger Form vorbereitet werden“ oder sie ein Transparenzdefizit sieht – wie zuletzt bei den Personalmehrausgaben, deretwegen sie den Haushalt 2019 ablehnte.