Eine Umfrage von Infratest-Dimap im Auftrag des SWR sieht die ökosoziale Mehrheit im Gemeinderat durch den Urnengang deutlich gestärkt.

Stuttgart - Nach den Zahlen des Meinungsforschungsinstituts Infratest-dimap im Auftrag des SWR können Grüne, SPD und das Fraktionsbündnis SÖS/Linke-plus (bisher 31 von 60 Sitzen) ihre Machtposition im Rathaus auf 34 Sitze ausbauen. Die CDU wurde bei der Kommunalwahl deklassiert. Sie stürzte laut Prognose von 28,3 auf 19,3 Prozent ab. Die Grünen überflügelten sie. Die Öko-Partei erreichte laut Prognose 27,8 Prozent (2014: 24). Auf den Plätzen folgen: SPD mit 11,6 (14,3), FDP mit acht (5,9), Freie Wähler mit 5,9 (7,1), die Linke mit 5,8 (4,5) und die AfD mit sechs (4,7) Prozent.

 

Die restlichen Parteien und Wählervereinigungen – insgesamt traten 20 an – erhielten zusammen 15,6 Prozent. Unter denen, die sich Hoffnung auf Mandate machen können, sind laut einer Nachwahlbefragung SÖS mit 4,5 Prozent (das wären 3 Sitze) und die Stadtisten mit 2,7 (2 Sitze). Junge Liste (2 Prozent), Die Partei (1,6), Piraten (1,3) und Fahrverbotsgegner (1,1) würden je einen Sitz erhalten.

Die CDU könnte noch elf (bisher 17) Stadträte stellen. Die Grüne erhielten 18 (14), SPD 7 (9), Freie Wähler 4 (4), FDP 4 (4), die Linke 4 (3), die AfD 3 (3).

Mehr Chancen für kleinere Parteien

Die Prognosen und Sitzzahlen stehen unter Vorbehalt. Seit 2014 gilt für die Verteilung ein modifiziertes Höchstzahlverfahren, das kleineren Parteien und Wählervereinigungen mehr Chancen eröffnet. Erste Ergebnisse zur Kommunalwahl verkündet das Wahlamt an diesem Montag um 16 Uhr. Grundlage sind dann aber allein die unverändert abgegebenen Stimmzettel. Das vorläufige amtliche Endergebnis folgt am Dienstag um 16 Uhr.

„Die Grünen als stärkste Fraktion, das ist stark. Sie sehen einen zufriedenen OB“, sagte Fritz Kuhn (Grüne) am Sonntag im großen Sitzungssaal des Rathauses. Die „persönlichen Attacken“ auf ihn durch die SPD hätten offenbar nicht gefruchtet. Die Genossen hatte Kuhn mit Korruption im Stuttgarter Klinikum in Verbindung gebracht. Bei der Frage nach der Wiederkandidatur zur OB-Wahl 2020 hielt sich Kuhn bedeckt: „Am 7. Januar 2020 weiß ich und wissen sie es.“

CDU und Grüne dominierten den Haushalt

Den Christdemokraten könnte das Ergebnis die OB-Kandidatensuche erschweren. „Wir haben das Lebensgefühl in Stuttgart nicht getroffen“, sagte die stellvertretende Kreisvorsitzende Karin Maag, die das Rathaus früh verließ. „Zufrieden bin ich nicht, aber es hätte schlimmer kommen können“, sagte SPD-Fraktionschef Martin Körner. Die Genossen werden es wohl künftig im Stadtparlament schwerer haben, weil sie wahrscheinlich hinter der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Links-plus rangieren. „Wir hätten dann Anspruch auf einen Bürgermeisterposten“, sagte Stefan Urbat (Piraten), der auch künftig zum Bündnis zählen will, selbstbewusst.

Neben der ökosozialen Mehrheit, die zum Beispiel im beschließenden Umwelt- und Technikausschuss in den vergangenen Jahren die Richtung vorgab, hatte sich in der letzten Legislaturperiode eine weitere Zweckgemeinschaft gebildet: Christdemokraten und Grüne dominierten zusammen mit OB Fritz Kuhn (Grüne) die Beratungen zum milliardenschweren Stadthaushalt. Das wäre nun wahrscheinlich nicht mehr möglich.

Im Wahlkampf standen Luftreinhaltung und Fahrverbote, Klimaschutz, zuletzt stark thematisiert durch die Fridays-for-Future-Demos, im Vordergrund. Das Desaster der CDU und der enorme Zuwachs der Grünen könnten damit zu tun haben.

Der neue Rat wird am 25. Juli erstmals zusammentreten. Die alten Mitglieder werden am gleichen Tag verabschiedet. Eine Woche zuvor, in der ersten Sitzung nach den Sommerferien, werden die wichtigen beschließenden Ausschüsse gebildet. Die Sitzverteilung in den wichtigen Gremien war bisher eine Quelle für Streit, aber auch für wichtigen Absprachen.

Insgesamt waren am Sonntag 450 000 Stuttgarterinnen und Stuttgarter zur Wahl des Stadtparlaments aufgerufen, ein neuer Rekord. Vor fünf Jahren waren es rund 442 000 gewesen. Rund 100 000 Bürger hatten ihre maximal 60 Stimmen schon vorab per Brief verteilt, rund 30 000 mehr als 2014. Insgesamt konnten 125 000 Stuttgarter erstmals an der Kommunalwahl teilnehmen, davon 25 000, weil sie das 16. Lebensjahr erreicht hatten.

Wahlbeteiligung deutlich verbessert

Die Beteiligung, die 2014 mit 46,6 Prozent den niedrigsten Stand seit 1946 erreicht hatte, versuchte die Stadt mit einer Werbekampagne im Netz und auf der Straße mit Plakaten, Infomobil und „Stuttgart-Tag“ auf dem Marktplatz zu heben. 500 000 Euro kostete sie, und sie scheint gewirkt zu haben. In Stuttgart lag die Wahlbeteiligung für die Kommunalwahl bei um die 55 Prozent. „Die Europawahl hat uns auch mitgezogen“, sagte Michael Haußmann vom Statistikamt.