Stau, Lärm, Abgase und zu wenig bezahlbare Wohnungen: dass Waiblingen Wege für eine Entlastung finden muss, darüber sind sich die Gemeinderäte einig. Für diese Herausforderungen sehen die Fraktionen aber unterschiedliche Lösungen.

Waiblingen - Bei der in zwei Wochen anstehenden Kommunalwahl ergänzen in Waiblingen zwei Neue die Palette der Parteien und Wählervereinigungen. Erstmals schicken die Alternative für Deutschland (AfD) und die Partei Mensch Umwelt Tierschutz (Tierschutzpartei) ihre Kandidatinnen und Kandidaten in der Großen Kreisstadt ins Rennen.

 

Sie ergänzen die Auswahl der bislang im Kommunalparlament vertretenen Fraktionen von CDU, SPD, FDP, Freie Wähler-Demokratische Freie Bürger (FW-DFB), Alternative Liste (ALi), Bürgerliste Bittenfeld (BüBi) und Grüne, Natur- und Tierfreunde (Grünt). Letztgenannte, im Herbst 2013 gegründete Liste, konnte bei der vorigen Kommunalwahl 2014 zum ersten Mal mit einem Kandidaten, dem Landschaftsarchitekten Daniel Bok, in den Gemeinderat einziehen.

Drei Parteien mit Schwerpunkt Umwelt- und Naturschutz

Mit dem aktuellen Neuzugang Tierschutzpartei, auf deren erstem Listenplatz die Immobilienmaklerin Julia Papadopoulos steht, buhlen in Waiblingen also drei Parteien um die Stimmen von Wählern, die einen Schwerpunkt auf den Umwelt- und Naturschutz legen wollen.

Mit auffallend vielen jungen Kandidaten tritt die Alternative Liste an: die Jüngste, Melissa Nollert, ist gerade mal 18 Jahre alt. Auf der Ali-Liste entdeckt man aber auch politische Urgesteine, etwa Reinhard Neudorfer, der mehrfach, zuletzt 2017, bei Bundestagswahlen als Kandidat für die Partei Die Linke angetreten war. Auch in der Kommunalpolitik wollte er schon mitmischen: vor 18 Jahren trat er bei der Oberbürgermeisterwahl in Waiblingen gegen den damaligen Amtsinhaber Werner Schmidt-Hieber an.

In der CDU-Fraktion steht ein Wechsel an: Der langjährige Fraktionsvorsitzende Siegfried Kasper zieht sich aus der Lokalpolitik zurück, kandidiert aber erneut für den Kreisrat. Auf dem CDU-Stimmzettel zur Gemeinderatswahl taucht der Name Kasper dennoch auf; mit der Sozialpädagogin Anna-Julia Kasper kandidiert die Tochter des bisherigen Fraktionsvorsitzenden. Auch bei der Alternativen Liste tritt mit Marilena Fazio die Tochter des Fraktionsvorsitzenden Alfonso Fazio an.

Waiblingen hat ein Verkehrsproblem

Letzterer will sich mit seiner Fraktion für eine höhere „Aufenthaltsqualität“ in der Waiblinger City einsetzen – etwa durch mehr Fußgängerzonen, Spiel- und Anliegerstraßen. „Waiblingen hat ein Verkehrsproblem: zu viel, zu laut, zu schmutzig“, argumentiert die ALi. Ein Vorschlag der Fraktion ist ein kostenloses Cityticket für Busfahrten im Stadtverkehr.

Auch die CDU sieht in der Bewältigung der Verkehrsprobleme – Lärm, Feinstaub, Staus – „eine Herkules-Aufgabe“, die der Gemeinderat in Zukunft lösen müsse. Die Liste Grünt wie auch die BüBi, die Fraktion FW-DFB und die SPD schätzen den Ausbau von Rad- und Fußwegenetz und ÖPNV als eine der dringlichsten Maßnahmen in der kommenden Legislaturperiode ein. „Mehr Bus, mehr Bahn. Radfahren muss energisch gefördert und belohnt werden“, findet beispielsweise Roland Wied, der SPD-Vorsitzende und fügt hinzu: „Neue Straßen sind unrealistisch, wir brauchen lokale Lösungen statt illusionäre Diskussionen über neue Autobahnen.“

Entlastung der Ortsdurchfahrten als wichtiges Projekt

„Auch über Straßenneubauten muss diskutiert werden“, argumentiert hingegen Siegfried Bubeck (FW-DFB) im Hinblick auf die vom Durchgangsverkehr geplagten Bewohner von Hegnach. Einen „bedarfsgerechten Straßenbau“ hält auch die BüBi für wichtig.

Und was sagt der Oberbürgermeister der Stadt, Andreas Hesky, dazu? Das Miteinander von allen Verkehrsteilnehmern müsse weiterentwickelt und verbessert werden, so Hesky. „Fußgänger, Radfahrer, der ÖPNV, der PKW und der LKW sind wichtig, um das urbane Leben in Waiblingen zu erhalten.“ Eine Verbesserung des ÖPNV sei nötig, gehe aber zu Lasten der anderen Verkehre. „Wir müssen mit dem vorhandenen Platz auskommen und das Miteinander auf engem Raum gewährleisten.“ Andreas Hesky sieht die Entlastung der Ortsdurchfahrten als ein wichtiges Projekt – ebenso die Anbindung des Wirtschaftsraums Waiblingen und Unteres Remstal an das Autobahnnetz. Zudem brauche es neue Gewerbeflächen, um Arbeitsplätze zu halten – eine Ansicht, welche beispielsweise die Fraktion FW-DFB ebenfalls vertritt. Etwas anders sieht das der Grünt-Mann Daniel Bok: „Wir sind gegen den Neubau und die Erweiterung von Industriegebieten auf Kosten des Naturschutzes.“

Weiteres Topthema: Erschwinglicher Wohnraum in Waiblingen

Neuen, erschwinglichen Wohnraum zu schaffen – das ist für die Fraktionen im Waiblinger Gemeinderat ebenfalls ein Topthema. Wie das gelingen kann, dazu gibt es allerdings unterschiedliche Konzepte und Ansichten. Die FDP-Fraktionsvorsitzende Julia Goll spricht sich zum Beispiel dafür aus, Wohngebiete auszuweisen und Bauanträge schneller zu behandeln. Von städtischem Wohnbau hält die FDP-Fraktion wenig – sie setzt auf private Investoren, für deren Gebäude sich die Stadt Waiblingen Belegungsrechte sichern soll. „Statt mit viel Geld wenige Wohnungen in eigener Regie zu bauen, sollte mehr in die energetische Sanierung der städtischen Gebäude investiert werden“, argumentiert Julia Goll, denn: „Die Einsparung von Energie ist der wirkungsvollste Klimaschutz.“

Die FW-DFB, die vor einiger Zeit eine Anschubfinanzierung für die städtische Wohnungsbaugesellschaft beantragt hat, will so auch erreichen, dass die Stadt mehr Wohnungen selbst baut. Sie glaubt, dass es zwar neue Baugebiete braucht, wünscht sich aber zunächst eine Nachverdichtung, um Grünflächen zu schonen. Für einen „Schutz der Grünflächen in und um Waiblingen und keine Versiegelung an Ortseingängen und Stadtrand“ spricht sich auch Daniel Bok von Grünt aus, die ALi fordert mehr begrünte Dächer und Fassaden.

Nachverdichtung durch Aufstockung der Supermärkte?

Wie die FW-DFB-Fraktion – und anders als die FDP – setzt die ALi auf die städtische Wohnungsbaugesellschaft, die finanziell und personell so ausgestattet werden solle, „dass sie massiv investieren kann“. Die Forderung der ALi-Fraktion: Bauvorhaben werden nur noch genossenschaftlich, baugemeinschaftlich oder städtisch umgesetzt und die Vergabe erfolgt ausschließlich im Erbbaurecht. „Wir wollen keine weiteren Baugebiete mehr.“

Andreas Hesky hebt dagegen hervor, dass man der Wohnungsnot nur sowohl durch die Ausweisung neuer Baugebiete als auch durch Nachverdichtung Herr werden könne. Wie solch eine Nachverdichtung aussehen könnte? Die Alternative Liste meint dazu: „Warum prüft man nicht mal die Aufstockung zum Beispiel auf Supermärkte?“