In Bayern wird am Sonntag um die Rathäuser gekämpft. Auch der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, der seit 21 Jahre im Amt ist, bekommt einen Nachfolger. Am Ende von der CSU?

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Obwohl ihm eigentlich nicht mehr recht danach war, hat sich Christian Ude nach den für seine Verhältnisse grandios verloren gegangenen Landtagswahlen in Bayern als amtierender Münchner Oberbürgermeister noch einmal richtig reingehängt. Das war, als Ende November letzten Jahres die Dinge beim Münchner Stadtklinikum finanziell und organisatorisch völlig verquer standen. Ude handelte wie in allerbesten Zeiten, von denen es historisch viele gegeben hat. Er übernahm die Aufsichtsratsspitze und gestand ein, dass die SPD es mit der Liebe zu Genossen in Führungspositionen innerhalb der Verwaltung doch etwas übertrieben habe. Mehr als ein Strohfeuer, das Vitalität im Abendschein der eigenen politischen Laufbahn noch einmal aufflackern ließ, war das dann aber auch wieder nicht.

 

Schon länger – deswegen ja der Ausflug in die Landespolitik im letzten Jahr – regierte Ude gegen eine offenkundige Paradoxie an. Dürfte er am Sonntag nach 21 Jahren im Amt nämlich noch einmal als Kandidat auftreten, würde er mit ziemlicher Sicherheit wiedergewählt (vielleicht nicht mit den üblichen über 60 Prozent, aber mit 53 vielleicht schon). Dass er aber noch einmal werden könnte, was er fast ewig lang gewesen ist, verbietet ein städtisches Gesetz. Rentner-Ministerpräsidenten gestattete sich der Freistaat, Oberbürgermeister jenseits der Pensionsgrenze nicht. Ude wird 67 Jahre alt – und muss nun gehen. Wenn er guter Laune ist, sagt er dazu, dass 66 Jahre für einen Kabarettisten und Schriftsteller, der er nebenberuflich immer war, doch eigentlich kein Alter seien. Ja, finge jetzt, Udo Jürgens‘ semiphilosophischer Schlagerweisheit zufolge, das Leben nicht eigentlich erst an? So oder so: um Christian Ude braucht man sich nicht groß Sorgen zu machen. Der richtet sich das Leben schont ein – und verbringt notfalls etwas mehr Zeit auf Mykonos, wo sein Ferienhäuschen steht.

Der SPD-Kandidat Dieter Reiter ist kommunal fest verankert

Was die SPD in München angeht, wo – von einem Intermezzo des CSU-Mannes Erich Kiesl abgesehen (1978–1984) – in den letzten Jahrzehnten fast immer eine Sozialdemokrat den OB stellte und derzeit eine rot-grüne Rathauskoalition regiert, darf man sich da in der Zeitrechnung nach Ude nicht mehr so sicher sein. Es kandidiert der in München aufgewachsene und wenn’s nottut sehr breit Idiom sprechende 55-jährige Dieter Reiter, dessen Nominierung auch deswegen erfolgte, weil der joviale Blick Udes schon länger auf Reiter ruhte. Und wie auch nicht? Als Leiter des Münchner Arbeits- und Wirtschaftsreferats kann man kommunaler kaum verankert sein und als Festleiter des Oktoberfests volkstümlich nicht fester angebunden. Allerdings hat sich Reiter die Chancen als Nachfolger schon ein bisschen verscherzt, als er sich im letzten Sommer vom FC Bayern, zu dem Christian Ude bekanntermaßen kein besonders herzliches Verhältnis hat, nach London einladen ließ: auf dem Plan stand das Champions-League-Endspiel inklusive Party. Reiter hätte als Abgesandter der Stadt fliegen können, flog jedoch als Fan auf Vereinskosten. Ude hatte die Gaudi genehmigt. Das ist unvergessen.

Der Kandidat der CSU, Josef Schmid, hat urbane Ansichten

Hinzu kommt, dass der Kandidat der CSU, Josef Schmid, 44 Jahre alt und ebenfalls Münchner durch und durch, keinesfalls den teils tumben Toren gleicht, die von der CSU in der Vergangenheit gegen Ude aufgeboten wurden. Schmid betreibt nicht nur solide und weitgehend unideologische Stadtratsarbeit, er hat auch Ansichten, die etwas urbaner und verträglicher anmuten als auf Landesebene Usus ist: Wohnungsgenossenschaften und Moscheen zum Beispiel sind ihm nicht per se ein Graus – und gegen weniger Mainstream, Edelpolitur und Exklusivgetue in München hätte Schmid nichts einzuwenden.

Die Grüne Sabine Nallinger punktet beim Wohnungsbau

Kein Kandidat kommt um das Kernthema der Stadt herum: den Wohnungsbau und bezahlbare Mieten, von denen in München schon seit vielen Jahren wirklich keine Rede sein kann. Am kompetentesten auf diesem Gebiet ist eine Frau vom Fach: Sabine Nallinger, Stuttgarterin, 50 Jahre alt, hat Stadt-, Verkehrs- und Umweltplanung vor Ort studiert und sitzt seit 2008 für die Grünen im Stadtrat. Ob sie halten kann, was sie verspricht, nämlich jedes dritte städtische Grundstück unter Marktwert abzugeben und den genossenschaftlichen Wohnungsbau à la Wien zu fördern, scheint zweifelhaft: Nallinger hatte ein Sympathie- und Meinungshoch, als sie mit dem Wahlkampf anfing, doch wird es wohl auf einen Zweikampf zwischen Reiter und Schmid, am Ende gar auf eine Stichwahl hinauslaufen.

Darüber hinaus wäre München zu wünschen, dass die Wähler sich dem derzeit einzigen rechtsradikalen Stadtrat in Zukunft verweigerten: Karl Richter, NPD-Mitglied, von der „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA) und ein finsterer Geselle, hält zumindest bis Sonntag einen Sitz. Das ist einer zu viel.