Nach den Kommunalwahlen in den wichtigsten Städten Italiens sieht Regierungschef Matteo Renzi nicht mehr gut aus. In Rom etwa hat Virginia Raggi von der fundamental-oppositionellen Fünf-Sterne-Bewegung die Wahl gewonnen.
Rom - Die erste Runde der Kommunalwahl in Italien ist vorbei, und zumindest in den zahlenmäßig wie symbolisch wichtigsten Städten sind sie gar nicht gut gelaufen für die Regierung von Matteo Renzi. War in Rom ein Triumph der fundamentaloppositionellen „Fünf-Sterne-Bewegung“ von Beppe Grillo erwartet worden, so fiel er auch noch stärker aus als vorhergesagt.
In der solide verwalteten, klassischen Industrie- und Arbeiterhochburg Turin sehen sich Renzis Sozialdemokraten vom Protestpotenzial der „Grillini“ in die Stichwahl gezwungen. Mit dieser Demütigung hatte der Regierungschef ebenso wenig gerechnet wie mit dem historisch schlechtesten Abschneiden seiner Linken im traditionell roten Bologna. In Neapel sind die Sozialdemokraten gleich ganz aus dem Rennen geflogen, und im beinahe sicher geglaubten Mailand hat der Konkurrent aus Berlusconis Forza Italia, Stefano Parisi, binnen weniger Wochen eine solche Aufholjagd hingelegt, dass das Resultat der Stichwahl in zwei Wochen auf einmal offen ist.
Kein nationales Protestzeichen
Renzi selbst, der das Ergebnis am Montag Mittag ungewohnt aufgekratzt kommentierte, bekannte, er sei „nicht zufrieden“. Andererseits wollte er das Votum, zu dem ein Viertel der italienischen Wahlbürger in etwa 1350 Städten und Gemeinden gerufen war, nicht als „nationales Protestzeichen“ gegen seine Regierung deuten. Dazu seien die Ergebnisse lokal allzu unterschiedlich. Von einem „Fleckenmuster wie auf einem Leopardenfell“ sprach Renzi, der seine Sozialdemokraten im landesweiten Durchschnitt weiterhin bei mehr als 35 Prozent Zuspruch sieht.
Für Renzi steht viel auf dem Spiel. Im Oktober sollen die Italiener in einer Volksabstimmung über seine Verfassungsreform entscheiden, die nicht nur die Entmachtung einer der beiden Parlamentskammern und die Reduzierung der Abgeordneten um ein Drittel, sondern auch einen Rückbau des 2001 eingeführten Teil-Föderalismus vorsieht. Renzi beteuerte diesen Montag zwar wieder einmal, zwischen den Kommunalwahlen und dem Referendum gebe es „keine Verbindung“; längst aber hat er sein politisches Überleben an den Ausgang der Volksabstimmung geknüpft. Im Gegenzug haben sämtliche Renzi-Gegner im Lande – von den Ultralinken über die Dissidenten in der eigenen Partei und die populistischen Grillini bis zu den Rechtsextremen – die Kommunalwahlen zur Generalprobe für den Sturz Renzis erklärt.
Die Abneigung der Römer
Als Siegerin in Rom geht die Bürgermeisterkandidatin der Fünf-Sterne-Bewegung, Virginia Raggi (37), am 19. Juni in die Stichwahl gegen den „Renzianer“ Roberto Giachetti (55). Raggi liegt mit 35,3 Prozent um 123 000 Stimmen vor dem Sozialdemokraten (24,9 Prozent). Und während die junge, politisch unerfahrene, bis vor wenigen Wochen unbekannte Anwältin Raggi auf eine starke Abneigung der Römer gegen den verfilzten, korrupten, administrativ unfähigen parteipolitischen Apparat der Stadt zählen kann, kommt Giachetti just aus diesem „Establishment“. Er vertritt auch – aller Erneuerungs-Propaganda von Matteo Renzi zum Trotz – eine Partei, deren hauptstädtische Kader tief verstrickt sind in die Umtriebe der „Mafia Capitale“, welche Ende 2014 aufgeflogen ist.
Raggi verspricht ein großes Aufräumen in allen Bereichen. Woher sie im heillos überschuldeten Rom das Geld und – als Neuling – die Durchsetzungskraft gegenüber der reformunwilligen Bürokratie nehmen will, bleibt offen.
Auf dem Weg zur nationalen Macht
„Rechts“ oder „links“ haben in Rom als Kategorien ausgedient; Beppe Grillo – Populist, rhetorischer Grobian, Europafeind und Stimmungsmacher gegen Ausländer – oszilliert nach allen Seiten. Virginia Raggi selbst hat Unterstützung aus der ganz linken Ecke ebenso wie aus der ganz rechten erhalten – Hauptsache, es geht gegen Matteo Renzi. Und eigentlich interessieren sich die „Grillini“ weniger für die Stadt selbst als für deren Sprungbrettfunktion auf dem Weg zur nationalen Macht.
In Mailand hatte Renzi den Cheforganisator der Weltausstellung „Expo 2015“, Beppe Sala (58), ins Rennen geschickt. Berlusconi und die mit ihm verbündete Lega Nord stellten einen anderen Erfolgsmanager dagegen: Stefano Parisi (59) vom Internetkonzern Fastweb, der nach der Wahl eingestand: „Noch vor drei Monaten kannte mich hier niemand.“
Umso mehr muss das Votum der traditionell gutbürgerlich wählenden Mailänder, die in Sala und Parisi zwei gleichwertige Kandidaten vor sich hatten, als eine Ohrfeige für Renzi gelten. Wer Italiens Wirtschafts- und Finanzmetropole in den kommenden fünf Jahren regieren wird, auch das entscheidet sich bei der Stichwahl in zwei Wochen.