Von vier auf 53: In den vergangenen zwanzig Jahren ist die Zahl der Bürgermeisterinnen im Land drastisch angestiegen. Trotzdem bilden Frauen auf dem Bürgermeisterstuhl auf das ganze Land gesehen nach wie vor eine Ausnahme.

Stuttgart - In den vergangenen 20 Jahren ist die Zahl der Bürgermeisterinnen im Land drastisch angestiegen. Waren es 1994 gerade vier Damen an der Rathausspitze, sind es laut dem Gemeindetag Baden-Württemberg aktuell schon 53. Alsbald wird sich Christel Halm zu diesem Kreis gesellen. Am Sonntag ist sie in Ammerbuch (Kreis Tübingen) in ihr Amt gewählt worden Doch bis die Männerdominanz bei den Stadtoberhäuptern gebrochen ist, wird noch manche Wahl vergehen – immerhin zählt Baden-Württemberg 1101 selbstständige Gemeinden.

 

Wer sich in die Statistik vertieft, stellt fest, dass Bürgermeister erst seit der Gemeindereform 1975 nach ihrem Geschlecht differenziert werden. Zuvor war das auch gar nicht notwendig gewesen, gab es doch keine einzige Bürgermeisterin im Südwesten. Das änderte sich erst 1990, als Beate Weber zur Oberbürgermeisterin von Heidelberg gewählt wurde. 1992 kam Birgit Kriegel in Löwenstein im Kreis Heilbronn hinzu, die als erste Frau in einer kleinen Gemeinde obsiegte, 1994 ergänzte Monika Chef in Gemmrigheim den exklusiven Zirkel. Anette Rösch in Wannweil (Kreis Reutlingen) fiel schon durch ihr Alter auf. Sie war bei ihrem Wahlsieg 1995 erst 27 Jahre alt. Chef und Rösch amtieren bis heute.

Jung und weiblich – das fällt auf

Die 1998 in Tübingen gewählte Brigitte Russ-Scherer (SPD) wollte dies auch, musste sich aber schon nach einer Wahlperiode dem Grünen Boris Palmer geschlagen geben. Die Jugend wird aber noch immer gern als hervorstechendes Merkmal der Bürgermeisterinnen erwähnt, so auch bei der 28-jährigen Susanne Jakob, die kürzlich in Holzmaden (Kreis Esslingen) siegte.

Christel Halm in Ammerbuch ist nicht mehr ganz so jung. Sie ist die erste Bürgermeisterin in einer Landkreisgemeinde im Kreis Tübingen. Bei ihrer Wahl sticht hervor, dass sie sich als CDU-Stadträtin im eigenen Ort durchgesetzt hat. Oft vertrauen Wähler eher einem Kandidaten oder einer Kandidatin „von außen“, weil der oder die unbefangen mit der Amtsführung beginnen können. Christel Halm ist sogar tief in der Lokalpolitik verwurzelt. Sie war Ortsvorsteherin der Ammerbucher Teilgemeinde Reusten. Ihr Schwiegervater unterschrieb als Reustener Bürgermeister die Vereinigungsurkunde und trug somit maßgeblich zur Gründung von Ammerbuch im Jahr 1971 bei.

Ammerbuch noch immer unvereint

Viele Bewohner der Teilorte aber tragen noch immer eher das Wappen von Entringen, Altingen, Pfäffingen, Breitenholz, Poltringen oder eben Reusten im Herzen als Stolz auf Ammerbuch zu empfinden. Diese Distanz untereinander hat, so ist zu hören, manchen erfolgreichen Bürgermeister kleinerer Gemeinden daran gehindert, sich um einen Aufstieg in das 11 500 Einwohner zählende Ammerbuch zu bewerben.

Offenbar aber halten die Wähler viel von Christel Halms bisherigen lokalpolitischen Wirken. Was noch schwerer wiegen dürfte: Sie vertrauen auf die intuitiven Fähigkeiten einer Frau. Sie soll es schaffen, die einander wenig gewogenen Ortsteile Ammerbuchs endlich zu befrieden. Mitunter macht es doch einen Unterschied, ob eine Stadt oder eine Gemeinde von einer Frau oder einem Mann geführt wird. So ist die Kleinkindbetreuung in den Gemeinden mit einer Bürgermeisterin vorbildlich ausgebaut worden. Das haben die Bürgermeisterinnen im Land auf dem jährlichen Treffen ihres Netzwerks erst kürzlich festgestellt.