Vor zehn Jahren kam das IPhone auf den Markt. Was das für Folgen hatte, erläutert die Medienforscherin Angela Keppler.

Stuttgart - Mit der Erfindung des Smartphones scheint die Kommunikation aus den Fugen geraten zu sein. Denn einerseits erleichtert es uns die Organisation unseres Lebens. Andererseits klagen immer mehr Menschen über digitalen Dauerstress. Wie Smartphones die Kommunikation verändern, erforscht Angela Keppler, Professorin für Medien- und Kommunikationswissenschaften an der Uni Mannheim. Ein Gespräch über den Wert des gesprochenen Wortes, die Macht der Bilder und das Konzentrationsvermögen von Goldfischen.

 
Frau Keppler, I bims wurde gerade zum Jugendwort des Jahres gewählt. Machen Sie sich Sorgen um die deutsche Sprache?
Nein, überhaupt nicht. Sprache ist ja etwas sehr Lebendiges. Sie verändert sich ständig. Und das spiegelt sich eben auch im Internet wieder.
Die Sprache in den sozialen Netzwerken wird durch Jugendliche geprägt. Es gibt Menschen, die sagen, dass sie dadurch verkümmert. Kinder zum Beispiel lassen heute gerne Präpositionen weg.
Ich bin keine Sprachwissenschaftlerin, aber das ist doch eher Ausdruck eines eigenen Slangs, den sie übernommen haben. Wenn man so spricht, signalisiert man, dass man sich einer bestimmten Sub- oder Jugendkultur zugehörig fühlt.
Ist es schon mal vorgekommen, dass Sie Ihre Studenten nicht verstanden haben?
Nein, ich habe einen 28-jährigen Sohn. Deshalb bin ich über neue Trendwörter auf dem Laufenden. Bei meinen Studenten kann ich dann damit punkten, dass ich diesen neuen Begriffen Synonyme aus meiner Jugend zuordnen kann. Was vor 50 Jahren flott war, ist heute cool. Wobei: Cool sagt man heute auch nicht mehr. Eher hip. Oder ist das etwa auch schon wieder out?
Sie untersuchen seit Jahren, wie das Smartphone die Kommunikation verändert. Ist das persönliche Gespräch von dem Aussterben bedroht?
Nein, definitiv nicht. Als Soziologin stehe ich in der Tradition von Forschern wie Georg Simmel oder Thomas Luckmann, die gerade in alltäglichen Gesprächen eine unverzichtbare Grundlage des Zusammenhalts in menschlichen Gesellschaften gesehen haben. Im Konsens wie im Dissens vergewissern wir uns des für uns relevanten Wissens und der Werte. Schon in meiner Habilitation habe ich die gemeinschaftsstiftende Rolle von Tischgesprächen in Familien untersucht, die von diesen selbst auf Tonband aufgezeichnet wurden.
Wie sind Sie jetzt methodisch mit den Handys vorgegangen?
Wir haben Menschen an öffentlichen Schauplätzen dabei beobachtet, wie sie miteinander kommunizieren und wie das Smartphone in diese Kommunikation eingebunden war. In anderen Fällen haben wir Gespräche etwa von Freundesgruppen mit deren Einverständnis aufgezeichnet. Wir wollten wissen, wie die sich alltägliche Unterhaltungen durch den Einsatz von Handys verändern. Und dabei haben wir eine interessante Entdeckung gemacht.
Nämlich?
Es wird gar nicht weniger gesprochen, sondern die Gespräche nehmen einen anderen Verlauf, weil jederzeit spontan auf Informationen aller Art und nicht zuletzt auf Bilder zurückgegriffen werden kann. Dadurch werden Gespräche schneller privat.
Ein Beispiel?
Sie sind gerade aus dem Urlaub zurückgekommen und erzählen einer Freundin, wie schön es dort war. Früher hätten Sie ihr bei sich zu Hause vielleicht ein Fotoalbum mit Schnappschüssen aus dem Urlaub gezeigt. Heute haben wir alle diese Fotoalben immer auf dem Smartphone dabei. Und so zückt fast jede oder jeder von uns ganz schnell das Handy und zeigt Fotos aus dem letzten Urlaub. Das Entscheidende ist aber, dass nicht nur gezeigt, sondern zugleich verbal kommentiert und verglichen wird. Und das bereichert die Gespräche.
Nach einer aktuellen Studie schauen wir durchschnittlich alle 18 Minuten auf unser Handy. Wird das persönliche Gespräch durch diesen digitalen Dauerstress tatsächlich nicht beeinträchtigt?
Bei diesen Studien über die Nutzungsdauer der Handys wäre ich immer ein bisschen vorsichtig im Hinblick darauf, was genau da gezählt wird. Inzwischen schauen wir angeblich so oft aufs Handy, dass ich mich frage, wie man daneben noch etwas anderes erledigen kann.
Einen Großteil unserer Kommunikation erledigen wir heute über Emails, Whatsapp oder Messenger-Dienste. Geht da nicht diese schriftliche Kommunikation zu Lasten der privaten Gespräche?
Nein, das sind unterschiedliche Kommunikationswege, die sich überhaupt nicht ausschließen müssen. Durch die Einbindung von Smartphones in Alltagsgesprächen können sie sogar auf eine neue Weise zusammenfinden.
Trotzdem hat sich das persönliche Gespräch durch die Smartphones verändert.
Ja, aber dies bedeutet noch lange keinen Verfall der Gesprächskultur!
Forscher haben herausgefunden, dass die Aufmerksamkeitsspanne zurückgegangen ist. Sogar ein Goldfisch kann sich länger auf eine Sache konzentrieren als der Forscher.
Es kann schon sein, dass wir insgesamt weniger konzentriert sind, wenn wir gleichzeitig auf Push-Up-Meldungen, neue Emails oder Anrufe achten. Aber nach meiner Beobachtung findet hier durchaus schon ein Umdenken statt. Das erzählen mit häufig Studierende. Für sie sei es selbstverständlich, in bestimmten Situationen zu sagen: Jetzt packen wir die Handys weg, um uns in Ruhe zu unterhalten.
Trotzdem blinkt, fiept und klingelt es den ganzen Tag. Machen Smartphones das Leben tatsächlich leichter?
Na ja, sie verbinden uns schon mit abwesenden Personen auf eine intensive Weise. Ich habe das neulich plastisch erlebt, als ich im Wartezimmer einer Tierarztpraxis saß. Eine Dame beschwerte sich quasi selbst darüber, dass ihr Handy ständig Töne von sich gab. Ich konnte mir dann den Hinweis nicht verkneifen, dass man es ausschalten kann.
Und hat sie es getan?
Nein, sie sagte das ginge nicht, denn sonst würde sich ihre Tochter ja noch mehr Sorgen machen, ob die Katze die OP überlebt.
Was sagen Sie zu dem Trend, dass Streit immer häufiger bei Whatsapp ausgetragen wird als von Angesicht zu Angesicht.
Ich glaube nicht, dass die Streitkultur dadurch verkümmert. Denken Sie nur an die Briefkultur früherer Zeiten: Auch damals sind immer wieder die Fetzen geflogen.
Aber es geht doch eine Ebene verloren, wenn Menschen nicht direkt vor einem stehen, während man sie beleidigt?
Vielleicht, es kann aber auch den Vorteil haben, dass verbale Gewalt nicht in physische umschlägt. Und wir sollten nicht vergessen, dass der Vorwurf einer Verhinderung der direkten Begegnung unter Menschen schon ganz andere Medien getroffen hat: den Roman, das Fernsehen und sogar die Schriftsprache. Es spricht viel dafür, dass jedes Medium seine eigenen Streitformen entwickelt.
Immerhin kann man mit dem Smartphone Gefühle über Emojis verbildlichen. Das Angebot wird immer größer. Reicht es schon, um jede Nuance abzubilden?
Sicher nicht – aber auch verbal dürfte es nur selten möglich sein, „jede Nuance“ zu treffen. Im übrigen handhabt das jeder Kurznachrichtendienst anders. Bei Whatsapp gibt es Emojis, bei Threema Sticker.
Welche Emojis fehlen Ihnen persönlich?
Gar keine.

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