Dieter B. Gerlach hat unter dem Namen Alan Cooper die erfolgreichste aller deutschen Verwechslungskomödien geschrieben: „Der Neurosen-Kavalier“ läuft derzeit in der Komödie im Marquardt in Stuttgart – auf Schwäbisch und mit viel Tempo.

Stuttgart - Der Neurosen-Kavalier“ handelt von einem, der ein Doppelleben führt. Das tut auch Dieter B. Gerlach. Er allerdings ist weder Räuber, Weihnachtsmann noch Psychotherapeut; er ist Schauspieler, Regisseur und Autor. Sein Pseudonym ist Alan Cooper; unter ihm schrieb er die erfolgreichste aller deutschen Verwechslungskomödien, die nun wieder in Stuttgart gespielt wird, in der Komödie im Marquardt. Dort fand auch ihre Uraufführung statt, vor 30 Jahren, fünf Tage vor Weihnachten. Ein Räuber, verkleidet als Weihnachtsmann, versteckt sich in der Praxis eines Therapeuten, schlüpft in dessen Rolle und behandelt an seiner Statt die Patienten.

 

Wie schreibt man einen solchen Hit? Dieter B. Gerlach alias Alan Cooper hat das Rezept nicht parat, aber doch einige gute Hinweise. Den „Neurosen-Kavalier“ dachte er sich gemeinsam mit Gunther Beth aus. Zu Uraufführung 1986 konnte er nicht kommen, erzählt Gerlach, gut gelaunt beim Frühstück im Hotel am Schlossgarten - zur Premiere 2016 kam er, gemeinsam mit Beth. Sensationell gut fand er sie, mit kleinem Abstrich: „Das Stück auf Schwäbisch zu spielen ist etwas ganz Neues. Aber die Sprache macht es auch sehr langsam. Jede Komödie braucht Tempo. Das sollte man eigentlich wissen. Nach der Pause zieht das Stück dann auch hier an, wenn der Elvis auf Touren kommt.“

Elvis, der im Innern einen bieder-stumpfen Beamten sitzt und durch die gaunerhafte Psychotherapie an dessen Oberfläche kommt, ist der Überraschungsgast des Stücks, sein geheimer Motor. Ob in Hamburg, besetzt mit dem Elvis-Imitator Peter Kirchberger, oder im Wiener Theater in der Josefstadt mit Playback - immer war es diese Figur, die das Stück zum Renner machte, von innen her sprengte. Mit Reinhold Weiser, dem Stuttgarter Elvis-Darsteller, ist Dieter B. Gerlach sehr zufrieden: „Als ich ihn gesehen habe“, sagt er, „habe ich mich gefragt: Wie wollen die das hinkriegen, der als Elvis?“ Sie haben es hinbekommen, und genau so soll es sein: Dass man dieser Figur erst gar nicht anmerkt, was in ihr steckt, macht das Geheimnis aus. Andreas Klaue in der Rolle des falschen Therapeuten Klaus Bollinger tritt in den Hintergrund, Elvis übernimmt - eine Wendung, die das Publikum mitreißt. „Es ist immer gut“, sagt Gerlach, „wenn ein Stück nicht nur auf einer Person ruht. Das ist das Problem vieler Autoren: Sie haben eine Idee, einen Hauptdarsteller, und um den schreiben sie herum. Aber im Leben ist das ja auch nicht so, dass da einer ist und um ihn herum niemand.“

„Schauspieler dürfen sich nicht auf die Pointen setzen“, sagt der Komödienexperte

Dieter B. Gerlach wurde 1947 geboren und machte seine ersten Theatererfahrungen in der Schule; im Chemiesaal spielte er den Tod des Columbus. Bevor er selbst 1970 eine Schauspielausbildung begann, studierte er Grafik, angewandte Kunst und Bühnenbild in Berlin. Seither stand er ständig auf den deutschen Komödienbühnen, trat auf in der Telenovella „Rote Rosen“, synchronisierte John Wayne und Charlton Heston, produzierte die deutsche Synchronfassung der US-Serie „Dr. House“ in seinem eigenen Studio, gab Figuren aus den Serien „Murder in the First“ und „The Walking Dead“ eine deutsche Stimme.

Sein Herz jedoch gehört der Komödie, daran lässt er keinen Zweifel. „Sie ist das schwerste aller Fächer“, sagt er. Gerlach hat nicht viel übrig für die Staatstheater, die Klassiker - „Das Publikum“, sagt er, „liebt den Humor. Um eine Komödie richtig gut zu machen, muss man Pointen schreiben können. Die Schauspieler dürfen sich aber nicht auf diese Pointen setzen. Ich sage ihnen immer: Macht das mal so, als ob ihr über fettes oder mageres Fleisch sprecht. Wenn ein Schauspieler selbst über die seine Pointe lacht und denkt, er müsse sie noch komischer machen - dann ist das der Tod jeder Komödie.“

Den Elvis im „Neurosen-Kavalier“ wollte er irgendwann auch selbst spielen, Regie führen ohnehin - deshalb nahm er, als Autor, den Namen Alan Cooper an. „Ich wollte einen anderen Namen für die Schreibe“, sagt er. „Als das Stück dann rauskam schrieb die Presse überall: Man merkt sofort, dass ein Angelsachse mitgeschrieben hat, hier wird mit den Florett gefochten und nicht mit dem Säbel, wie bei Flatow. Deshalb bin ich bei dem Namen geblieben. Wir haben das lange Zeit geheim gehalten. So etwas unterstützt natürlich auch die Eitelkeit.“

Nur die TV-Version mit Harald Juhnke war Schrott

Dieter B. Gerlach hat nach dem „Neurosen-Kavalier“ weitere Komödien geschrieben; er arbeitet an einer neuen. Sein erster Autorenstreich aber blieb sein größter - 16 000 Mal wurde „Der Neurosen-Kavalier“ aufgeführt, in aller Welt, 139 mal inszeniert, seitdem er zum ersten Mal gegeben wurde, in Stuttgart. „Was dieses Stück hat?“, sagt er - „Es hat Tempo, es pointiert. Und es ist zeitlos, höchstens bezogen auf Weihnachten. Aber wenn man das im Sommer spielt, fangen die die Leute ja auch schon an zu lachen, wenn sie den Weihnachtsmann sehen.“

Der therapeutische Weihnachtsmann ist für ihn so unzerstörbar wie der Mythos vom echten Elvis. Nur die TV-Version des Stoffes, Harald Juhnke spielte die Hauptrolle, war für Gerlach eine große Enttäuschung: „Ganz ehrlich, ich habe mir gedacht: Was für ein Schrott. Elvis war gar nicht vorhanden, und Harald war eben Harald und nicht der Neurosen-Kavalier.“

Dass die Schwaben seinen Kavalier auf ihr eigenes Tempo herunter bremsten, hat Gerlach ihnen indes verziehen. Er stand selbst viele Male in der Komödie im Marquardt auf der Bühne, schätzt die Stadt Stuttgart, vor allem im Sommer - und schwärmt hemmungslos von der hiesigen Küche. Die behäbige Lebensart des Landes scheint dem Komödianten, der lange schon in Berlin lebt, irgendwie doch auch zu behagen. Wenn er Spätzle sagt, Flädessuppe oder Maultasche werden Dieter B. Gerlachs Augen feucht - oder spielt er dann Komödie?