Eine neue Wortschöpfung geistert durch Berlin: die „Koko“ ist eine Alternative zur „Groko“, ausgedacht hat sie sich die SPD. Was steckt dahinter, und wie wahrscheinlich ist es, dass die Regierung künftig als „Koko“ firmiert?

Stuttgart - Es scheint, als geisterten nach dem Scheitern von „Jamaika“ dieser Tage noch nicht genug seltsame Bezeichnungen für eine künftige Bundesregierung durch die Öffentlichkeit. Am Mittwoch treffen sich die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer, SPD-Chef Martin Schulz sowie die jeweiligen die Fraktionschefs, um Gemeinsamkeiten und das weitere Vorgehen auszuloten.

 

Pünktlich dazu gibt es eine neue Wortschöpfung aus Berlin: die sogenannte „Koko“, deren Name sich an die altbekannte „Groko“ alias große Koalition anlehnt. Dementsprechend hat die „Koko“ auch nichts mit den Früchten der Palme zu tun als vielmehr mit einer flexiblen Version der großen Koalition: die Abkürzung steht für „Kooperationskoalition“. Demnach geht es darum, im Koalitionsvertrag nur einige Kernpunkte festzuschreiben und die übrigen Themen und Vorhaben bewusst im Plenum des Bundestages von Fall zu Fall auszuverhandeln.

Welche Vorteile hätte eine „Koko“?

Ausgedacht hat sich die „Koko“ der linke Flügel in der SPD, eben als Alternative zur „Groko“, die viele in der Partei nach wie vor scheuen – obwohl der SPD-Bundesparteitag kürzlich Gesprächen mit der Union zustimmte. Die SPD-Politiker hinter dem Vorschlag versprechen sich mehr Möglichkeiten zu einer inhaltlichen Profilierung gegenüber den anderen Parteien. Auch wechselnde Mehrhheiten wären dann in manchen Angelegenheiten theoretisch möglich.

Matthias Miersch vom linken SPD-Flügel sagte, CDU, CSU und SPD seien in der vorherigen „Groko“ nur noch als ein einziger monolithischer Block wahrgenommen worden und die SPD habe Anträge von Linken und Grünen aus Koalitionsräson ablehnen müssen, „obwohl sie in unserem eigenen Wahlprogramm standen“. Miersch betonte: „Wir haben dann die Freiheiten auch jenseits einer solchen Zusammenarbeit wirklich mit anderen Fraktionen zu stimmen.“ Es gehe um fünf bis zehn Projekte, die man gemeinsam verabredet und durchsetzt, darunter sicher der Bundeshaushalt.

Wie realistisch ist eine „Koko“ aus Union und SPD?

In der SPD hat immerhin schon der Parteivorsitzende Martin Schulz den Vorschlag mit Wohlwollen aufgenommen und parteiintern vorgestellt. Beim potenziellen Partner der „Koko“ stößt der Vorschlag wenig überraschend auf keine Begeisterung. Der designierte sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der am Mittwoch die Nachfolge von Stanislaw Tillich antreten soll, sagte im Deutschlandfunk: „Die SPD hat sehr viel Vertrauen verspielt und sollte jetzt wieder zu Seriosität zurückkommen.“ Er hoffe, dass sich die Vernünftigen in der SPD durchsetzten und plädiere für eine Fortsetzung der „regulären großen Koalition“.

Unklar ist auch, wie die Parteien in einer „Koko“ mit den großen Streitpunkten umgehen, die es jetzt schon gibt. Etwa die SPD-Forderung nach einer Krankenversicherung für alle, die das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Versicherung beenden soll. Angela Merkel lehnt diese strikt ab. Hinzu kommt die Flüchtlingspolitik. Die SPD will den bis März ausgesetzten Familiennachzug für Flüchtlinge wieder ermöglichen – auch das wird mit der Union nur schwer zu machen sein. Generell gilt es als nicht sehr wahrscheinlich, dass sich CDU-Chefin Merkel auf eine solche flexible Regierungskonstellation wie die „Koko“ einlassen wird.

Wie kann es sonst weitergehen?

Selbst wenn sich SPD und Union dieser Tage einig werden – ob über eine „Groko“ oder eine „Koko“ –, wird mit konkreten Sondierungen erst im Januar gerechnet. Mitte oder Ende Januar könnte ein SPD-Sonderparteitag über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden. Wegen des abschließenden SPD-Mitgliederentscheids wird mit einer Regierung nicht vor März gerechnet. Als letzte Option, wenn sich Union und SPD nicht einigen oder die 440 000 SPD-Mitglieder in einem Mitgliederentscheid einen Koalitionsvertrag ablehnen, bliebe eine Neuwahl.