Während sich die Mitglieder des Weltsicherheitsrates in New York gegenseitig die Schuld zuschieben, gehen die Luftangriffe auf Rebellengebiete in Aleppo weiter. Krankenhäuser sind wegen der Opferzahlen völlig überfordert. Ein Ende der Kämpfe? In weiter Ferne.

Beirut/New York - Die Gewaltspirale in Syrien dreht sich immer schneller und scheint allen diplomatischen Bemühungen zum Trotz nicht zu stoppen. Eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats zur blutigen Eskalation im Bürgerkriegsland brachte kein Ergebnis, wurde jedoch von harschen gegenseitigen Schuldzuweisungen überschattet.

 

Viel Kritik musste Moskau einstecken, das die Militäroffensive der syrischen Regierung unterstützt. „Was Russland unterstützt und tut, ist nicht Anti-Terror, es ist Barbarei“, erklärte die amerikanische UN-Botschafterin Samantha Power. Ihr russischer Kollege Witali Tschurkin sah die Schuld hingegen bei den Rebellen, die die kurze Waffenruhe zur Stärkung ihrer Einheiten genutzt hätten.

Seit dem Zusammenbruch einer von Washington und Moskau vermittelten Feuerpause am vorigen Montag sind in und um die umkämpfte nordsyrische Stadt Aleppo 213 Zivilisten durch Luftangriffe und Bombardements der von den Rebellen gehaltenen Gegenden umgekommen, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte. Allein bis zum Sonntagabend seien mindestens 26 Menschen getötet worden. Ibrahim Alhadsch vom syrischen Zivilschutz sagte indes, Krankenhäuser und Einsatzkräfte hätten am Sonntag 43 Tote gezählt.

Krankenhäuser in Aleppo meldeten, sie seien wegen der hohen Opferzahlen überfordert. Wegen mangelnder Behandlung dürften viele Verletzte sterben. Mohammed Sein Chandakani, ein Mitglied des sogenannten Medizinischen Rates, sagte in einer der Kliniken: „Ich habe noch nie so viele Menschen an einem Ort sterben sehen.“

Die syrische Regierungsoffensive zur Rückeroberung von Rebellengebieten im Osten Aleppos habe zu einer der schlimmsten Wochen im nunmehr über fünf Jahre langen Bürgerkrieg geführt, sagte der Syrien-Gesandte der UN, Staffan de Mistura zum Auftakt der Dringlichkeitssitzung in New York. Bis zu 275 000 Menschen befänden sich „seit 20 Tagen unter eine Art De-Facto-Belagerung.“

Die Offensive auf Ostaleppo folgte zwar auf einen Luftangriff der US-geführten Anti-IS-Koalition auf syrische Regierungstruppen sowie eine tödliche Attacke auf einen UN-Hilfskonvoi. Doch könne kein Zwischenfall die beispiellose militärische Gewalt rechtfertigen, die unschuldige Zivilisten treffe, sagte de Mistura weiter. Die USA und Russland müssten „eine Extrameile gehen“ und prüfen, ob sie die am 9. September vereinbarte Feuerpause noch retten könnten. Es sei „fünf vor zwölf“, warnte de Mistura weiter.

Wie verhärtet die Fronten sind, zeigte sich indes beim Auftritt des syrischen UN-Botschafters Baschar Dschaafari. Als er aufgerufen wurde, verließen seine amerikanischen, britischen und französischen Kollegen aus Protest den Raum.

Die drei westlichen Staaten, die die Sitzung angesetzt hatten, machten Moskau schwere Vorwürfe. UN-Botschafter Tschurkin hielt hingegen dem Westen vor, westlich unterstützten gemäßigten Rebellen nicht von Terrororganisationen trennen zu können. „Frieden zu stiften ist jetzt eine fast unmögliche Aufgabe“, sagte Tschurkin. Er fügte aber hinzu, dass Russland weiterhin eine Feuerpause und Verhandlungen zwischen den syrischen Konfliktparteien wolle.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz brachte nach eigenen Angaben dringend benötigte Hilfsgüter in vier seit langem belagerte syrische Städte. Zu den Hilfen für rund 60 000 Einwohner in Madaja, Sabadani, Fua und Kafraja zählten Lebensmittel, medizinische Versorgungsgüter und weiteres, teilte das IKRK am Sonntagabend mit.

Der Syrische Arabische Rote Halbmond, der gemeinsam mit den UN und dem IKRK für die Konvois zuständig ist, teilte mit, dass 53 Lastwagen mit Hilfsgütern in Madaja und Sabadani angekommen seien. Beide Städte werden von regierungsnahen Kräften belagert, während Rebellen Kafraja und Fua umzingelt halten. Dort kamen demnach 18 weitere Trucks an.

Regierungstruppen und Rebellen haben den Vereinten Nationen bislang regelmäßigen Zugang zu belagerten Gebieten in Syrien verwehrt. Nach UN-Schätzungen sind rund 600 000 Syrer von verschiedenen Belagerungsringen eingeschlossen.