Das Amtsgericht spricht eine Bewährungsstrafe gegen einen 26-jährigen aus, der eine Schlüsselfigur der Bahoz-Bande ist. Der Prozess gibt Einblicke in den regionalen Konflikt mit dem nationaltürkischen Boxklub Osmanen Germania BC.

Ludwigsburg - Der Saal E im Ludwigsburger Amtsgericht gleicht einem Hochsicherheitstrakt: Metalldetektor am Eingang, alle Besucher werden abgetastet, Handys und Taschen müssen abgegeben werden. Gut 50 Polizisten sichern den Prozess ab. Die Ordnungshüter befürchten einen massiven Aufmarsch der Rockerclubs wie bei vorigen Verhandlungen. Angeklagt ist ein 26-Jähriger, der im Januar mit neun anderen kurdischen Bahoz-Mitgliedern einen Anhänger der türkischen Osmanen in seiner Wohnung in Asperg überfallen hat. Der Fall ist Teil des seit anderthalb Jahren schwelenden Konflikts der beiden Gruppierungen.

 

Es geht hin und her in Ludwigsburg: Im April 2016 gibt es einen versuchten Totschlag beim Krankenhaus, im November wird ein Auto vor einer türkischen Gaststätte in Oßweil angezündet, kurz darauf verprügeln 20 Bahoz-Anhänger zwei Osmamen-Mitglieder am Bahnhof.

Staatsanwalt: Hohe kriminelle Energie

Der Staatsanwalt spricht im Prozess von „hoher krimineller Energie“. Vor allem bei der Szene im Januar, die nun in mehreren Verfahren vor Gericht gelandet ist. Der 26-jährige Angeklagte trommelt am 5. Januar eine Gruppe von zehn Brüdern der Bahoz-Bande zusammen. Sie fahren nach Asperg zum Wohnsitz eines Osmanen-Mitglieds. Das genaue Motiv bleibt unklar, in einer WhatsApp-Nachricht wirft der 26-Jährige seinem Kontrahenten vor, sich „immer in den Vordergrund“ zu drängen.

Die Angreifer sind maskiert und tragen Messer sowie einen Pfefferspray-Behälter mit sich, der so groß wie ein Feuerwehrlöscher ist. Sie klopfen an der Haustür, bedrohen die Freundin des Türken. Mit Messern dringen sie in die Wohnung ein und verprügeln ihn. Schließlich kann er entkommen, woraufhin die Bahoz-Anhänger ihn auf der Straße verfolgen und beleidigen. Am Ende hat er Platzwunden und Zerrungen sowie Hautreizungen, er muss ambulant ins Krankenhaus. „Er war aber auch kein Kind von Traurigkeit“, erklärt die Anklage. Im Gegenzug habe er auf eine Gaststätte in Bietigheim Schüsse abgegeben.

Zwei Teilnehmer der Schlägerei wurden schon verurteilt. Die Ermittler fahnden noch nach den übrigen sieben. Der 26-Jährige ist jedenfalls der Anführer des Überfallkommandos und ein führenden Mitglied der Bahoz-Bande, die in Stuttgart und Ludwigsburg um die „Gebietshoheit“ kämpft. Die Biografie des 26-Jährigen, der in Handschellen ins Gericht geführt wird, weist zahlreiche Brüche auf und ist – nach Einschätzung des LKA – typisch für viele Anhänger von Bahoz und Osmanen.

Abgebrochene Studien, viele Vorstrafen

Nach Werkrealschule und Fachhochschulreife fängt er immer wieder Studien an und bricht sie ab. Schließlich arbeitet er als Leiharbeiter bei Mann und Hummel in Ludwigsburg. Immer wieder kommt er mit dem Gesetz in Konflikt, zehn Vorstrafen wegen Drogenhandels, Sozialhilfebetrug und Körperverletzung existieren. Zuletzt hat er im vergangenen Jahr seine damalige Freundin aus Eifersucht verprügelt und in den Bauch getreten. Dafür wurde er im Januar vom Amtsgericht verurteilt.

Zudem war der 26-Jährige schon früher Mitglied bei den „Red Legions“, einer militanten kurdischen Gruppe, die der Terrororganisation PKK nahestand und 2013 verboten wurde. Vor Gericht gibt er sich wortkarg und lässt über seinen Anwalt Markus Bessler ein Geständnis verlesen. Zudem gibt er an, während der Tat unter Drogen gestanden zu haben. „Wegen seines ständigen Cannabis-Konsums fühlte er sich antriebslos, daher nahm er Amphetamine, um dem entgegen zu wirken“, so sein Verteidiger. Daher rühre die Aggressivität.

Trotz seines langen Vorstrafenregisters wird der 26-Jährige zu 20 Monaten auf Bewährung verurteilt, allerdings muss er 150 Sozialstunden leisten und drei Jahre straffrei bleiben. Die Richterin Franziska Scheffel hält ihm zugute, dass er seit April bereits in Haft sitzt, eine Drogentherapie beginnen und sein Studium fortsetzen wolle.

Ob der Konflikt mit dem Urteil beendet ist, bleibt fraglich. Der Staatsanwalt ist skeptisch: „Ich habe Zweifel, dass dass die Vernunft jetzt Einzug gehalten hat.“