Der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Katar brach nur scheinbar aus heiterem Himmel aus. Er könnte die arabische Welt zerreißen, kommentiert Martin Gehlen.

Kairo - Der Paukenschlag kam wie aus heiterem Himmel. Binnen Stunden war alles fromme Gerede von den arabischen Brüdern verdampft, wutentbrannt gingen sich die Kontrahenten an die Gurgel. Noch nie seit der Existenz der Ölstaaten gab es ein solch wüstes Zerwürfnis am Golf. Kuwaits Emir reiste am Dienstag nach Saudi-Arabien, um zu vermitteln. Doch ein schneller Erfolg ist nicht in Sicht, zu tief sitzt das Misstrauen zwischen den verfeindeten Ölpotentaten. Schon einmal, vor drei Jahren, hatte Saudi-Arabien einen neunmonatigen diplomatischen Boykott Katars inszeniert. Diesmal jedoch hat das konzertierte Vorgehen eine ganz andere Dimension, weil die aufgebrachten Nachbarn versuchen, Katar von allen Verkehrsverbindungen abzuschneiden, es wirtschaftlich zu isolieren und so zur politischen Kapitulation zu zwingen.

 

Die Gründe für diese Eskalation sind in den intransparenten politischen Milieus der arabischen Herrscherclans nicht einfach zu ermitteln. Eine Rolle spielten sicher Katars freundliche Beziehungen zum Iran, aber auch die Finanzierung des TV-Senders Al Dschasira oder die Rolle als Schutzpatron der Muslimbrüder, der Hamas-Bewegung und sonstiger politischer Islamisten in der Region.

Lösegeldzahlungen fachen den Konflikt an

Das Fass zum Überlaufen brachte wohl eine Lösegeldzahlung Katars im April von einer Milliarde Dollar, um im Südirak zwei Dutzend katarische Falken-Jäger aus den Händen schiitischer Milizen sowie in Syrien 50 Gefangene bei radikalen Dschihadisten freizukaufen. 700 Millionen Dollar gingen an iranhörige Paramilitärs, die übrigen 300 Millionen an Al-Kaida-Terrorkommandos. Der Löwenanteil floss damit quasi direkt an die Islamische Republik, und das ausgerechnet zu einer Zeit, als Saudi-Arabien zum großen Showdown gegen den schiitischen Erzrivalen blies.

Lösegeldzahlungen gelten in den nahöstlichen Wirren schon lange als Methode zur indirekten Finanzierung von Extremisten. Die Unterhändler stehen mit sauberen Händen da, und die Auftraggeber – darunter auch westliche Staaten – sind froh, ihre Landsleute vor dem Tod gerettet zu haben. Eine solch enorme Summe jedoch, wie für die entführte Jagdgesellschaft des Emir-Clans und die Al-Kaida-Geiseln, ist bisher noch nie geflossen. Allerdings steht Katar bei der Finanzierung radikaler Gruppen keineswegs allein. Auch reiche Bürger und religiöse Stiftungen aus Kuwait und Saudi-Arabien gelten als wichtige Terrorsponsoren in der Unruheregion.

Saudi-Arabien geht bei Katar aufs Ganze

Vieles am Golf wird davon abhängen, wie sich die USA in den nächsten Wochen verhalten. Donald Trump applaudierte am Dienstag per Twitter, während Europa weitgehend stumm blieb. Zudem drängen die Emirate das Pentagon bereits seit Jahren, die US-Kommandozentrale von Katar nach Abu Dhabi zu verlegen. Vor allem der pompöse Riad-Besuch des US-Präsidenten dürfte das saudische Königshaus bestärkt haben, jetzt den offenen Krach mit Katar zu suchen und endlich aufs Ganze zu gehen.

Doch der superreiche Zwergstaat wird nicht nachgeben, wenn er nur die Wahl hat, seiner bisherigen Politik in demütigender Weise abzuschwören, Al Dschasira zu schließen und alle Exilanten der Muslimbrüder auszuweisen. Deshalb könnte sich der frontale Versuch, Katar in die Knie zu zwingen, für Saudi-Arabien und seine Alliierten am Golf als Bumerang erweisen. Doha könnte eine neue Sicherheitspartnerschaft mit der Türkei anstreben, seine Beziehungen zu Russland und China intensivieren und sich stärker an den Iran anlehnen. Saudi-Arabien dagegen hat sich bereits seit zwei Jahren in einem desaströsen Krieg im Jemen verrannt. Nun auch das Problem Katar militärisch zu lösen, das wird es wohl nicht riskieren. So könnten bei dieser erbitterten Golf-Fehde am Ende alle verlieren. Und die arabische Welt wird noch zerrissener sein als zuvor.