Der sich inzwischen seit Jahrzehnten hinschleppende Friedensprozess ist erneut ins Stocken geraten. Eine Anerkennung Palästinas könnte ihm neuen Schwung geben, meint StZ-Korrespondentin Inge Günther.

Barack Obama hat kürzlich eine Einsicht verkündet, die die Welt aufhorchen ließ. Er glaube nicht, bekannte der US-Präsident, „dass man fünf Jahrzehnte lang das Gleiche tun, aber ein anderes Ergebnis erwarten kann“. Begründet hat Obama damit die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Kuba nach einem halben Jahrhundert politischer Eiszeit. Die Erkenntnis, dass ein Weitermachen wie gehabt nichts bringt, wäre auch im leidigen israelisch-palästinensischen Konflikt angebracht, so anders die Ausgangslage dort auch ist.

 

Der Nahost-Friedensprozess ist hohl geworden, weil schon viel zu lange Verhandlungsvorschläge auf dem Tisch liegen, ohne dass sich etwas ändert. An Fahrplänen mangelt es nicht, nur führte keiner zum Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung. Israel hatte es nie eilig, dorthin zu gelangen. Schneller waren die Regierungen in Jerusalem mit dem Siedlungsbau. Vor allem unter Benjamin Netanjahu hatte dies Vorrang. Es gab auch andere Probleme, etwa mit den Radikalislamisten in Gaza, die Israels Existenzrecht negieren und ihre Energie bevorzugt in den Raketenbau stecken. Die moderate Palästinenserführung von Präsident Mahmud Abbas verlor derweil an Rückhalt in der Bevölkerung, die sich nach zwanzig Jahren ergebnislosen Friedensprozesses verschaukelt fühlt.

Netanjahu kämpft um sein politisches Überleben

Washington spielt dennoch weiter auf Zeit. US-Außenminister John Kerry setzt alles daran, die vorige Woche im UN-Sicherheitsrat eingebrachte Palästina-Resolution zu blockieren oder zumindest bis zu den israelischen Wahlen im März auf die lange Bank zu schieben. Aus taktischen Gründen ist das nachvollziehbar. Man fürchtet, dass ein Votum für einen palästinensischen Staat Netanjahu und den Nationalrechten nur Munition im Wahlkampf liefern würde. Israels Premier kämpft um sein politisches Überleben. Bereits nach dem bedingten Ja im EU-Parlament zu Palästina und der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, die Hamas vorerst von der Terrorliste zu streichen, scheute sich Netanjahu nicht, von „Europas zweiter Kristallnacht“ zu sprechen. Auch Israels früherer Präsident Schimon Peres warnt, eine UN-Resolution komme zur Unzeit.

Was aber ist an einer Anerkennung Palästinas so falsch? Jenen, die eine friedliche Koexistenz wollen, gibt sie neue Hoffnung. Sie ist zugleich eine Chance, künftige Verhandlungen auf zumindest formell gleicher Ebene, von Staat zu Staat, zu führen. Inhaltlich jedenfalls ist an dem Antrag, um den im Weltsicherheitsrat gerungen wird, nichts auszusetzen. Er definiert Prinzipien für einen Friedensschluss auf Basis der Grenzen von 1967, berücksichtigt die Interessen beider Seiten, inklusive israelischer Sicherheitsbelange, und lässt Raum für Kompromisse. In der heiklen Frage palästinensischer Flüchtlinge etwa wird auf die arabische Friedensinitiative verwiesen, die eine einvernehmliche Lösung propagiert.

Der Begriff jüdischer Staat, auf den Israel so viel Wert legt, taucht zwar nicht auf, aber der ist im UN-Teilungsbeschluss von 1947 erwähnt, auf den ebenfalls Bezug genommen wird. All das hätte John Kerry kaum besser formulieren können. Nur ein sehr wichtiger Punkt entspricht überhaupt nicht seinen Vorstellungen: bis Ende 2017 müssten Israels Truppen aus den besetzten palästinensischen Gebieten abziehen.

Der Einfluss der Radikalen wächst

Ein US-Veto gegen die Resolution hieße, die Zwei-Staaten-Lösung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben. Denn ohne Nachdruck, ohne „Deadline“, ist der Nahost-Konflikt nicht zu beenden. Zumal der Einfluss der Extremisten wächst.

Solange Abbas seinem Volk keine realistische Perspektive zu bieten hat, gewinnt die Hamas an Zulauf. Immer ungenierter werben gleichzeitig die Nationalisten in Israel für eine Annexion der Gebiete. Israelis und Palästinenser sich selbst zu überlassen läuft auf eine neue Eskalation hinaus.