Konflikte innerhalb der Familie Wie Großeltern bei einer Scheidung Halt geben können
Wenn sich Paare trennen, reißt das oft ganze Familien auseinander. Dabei brauchen Kinder gerade dann ein stabiles Umfeld.
Wenn sich Paare trennen, reißt das oft ganze Familien auseinander. Dabei brauchen Kinder gerade dann ein stabiles Umfeld.
Der Schwiegersohn lieferte die Tochter und die zwei Kleinkinder noch in ihrem Elternhaus ab, dann war er weg. Von seiner Affäre wusste das ganze Wohngebiet. Nur seine Frau ahnte nichts.
Auch für Marianne K. und ihren Mann brach eine vermeintlich heile Welt zusammen. „Das war schon ein Schock, damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet“, erzählt Marianne K., die ihren Klarnamen zum Schutz ihrer Familie nicht veröffentlichen möchte. Allen Grund hätten sie damals gehabt, gegenüber dem Schwiegersohn feindselig gesinnt zu sein. Aber sie sahen auch: die Eltern leiden, die Kinder haben es schwer, da braucht es nicht auch noch Großeltern, die zusätzlich Öl ins Feuer gießen.
Genau das aber ist im Fall von Trennungen häufig der Fall, erzählt Hans Dusolt. Der Psychologe aus München beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Rolle von Großeltern bei Scheidungen und hat darüber auch ein Buch geschrieben („Oma und Opa können helfen: Was Großeltern bei Trennung oder Scheidung tun können“, Beltz Verlag).
„Das eigene Kind weint sich bei den Eltern aus und sucht die Schuld oft beim Partner. Und die Eltern unterstützen das Kind“, so Dusolt. Das Problem daran: Die Großeltern ergreifen damit, oft unterbewusst, Partei – und das macht auch vor den Enkeln nicht halt. Die spüren, wenn die Großeltern Mama oder Papa gegenüber nicht mehr wohlgesinnt sind. Nicht selten schnappen sie entsprechende Bemerkungen auf.
Auch Marianne K. musste sich häufig auf die Zunge beißen, damit ihr gegenüber ihrer Tochter oder den Enkeln nicht Sätze herausrutschten, wie „Wir haben immer gewusst, dass der nicht der Richtige ist“. Ihr und ihrem Mann war auch schnell klar, dass sie sich nicht dazu eigneten, um zwischen Tochter und Schwiegersohn zu vermitteln. „Natürlich haben wir unsere Tochter unterstützt. Vor allem aber, indem wir ihr zugehört und sie bei uns aufgenommen haben“, so Marianne K. Sie hätten Hilfe angeboten, sich aber nie aufgedrängt. Vor allem aber hätten sie die Trennung nie vor Tochter und Enkeln bewertet.
So halten sie es auch bis heute, wenn die Enkel ihren Vater besuchen und davon erzählen. „Wir interessieren uns dafür und nehmen gern Anteil auch an diesem Teil ihres Lebens“, sagt Marianne K. Wenn ihr etwas negativ aufstößt von dem, was die Enkel berichten, bespricht sie das allenfalls mit ihrem Mann unter vier Augen.
Seit die Tochter eine eigene Wohnung gefunden hat, lassen Marianne K. und ihr Mann den inzwischen Ex-Schwiegersohn auch bei sich übernachten, wenn er seine Kinder zu sich holt. Die Fahrt ist weit, und für das Ehepaar K. ist klar: „Da geht es einfach nur um das Wohl der Enkel. Wir wollen, dass sie aus der Trennung möglichst unbeschadet rauskommen.“
Hans Dusolt rät Großeltern in seinen Beratungen, sich den Enkeln gegenüber möglichst loyal zu verhalten. „Die brauchen das eigentlich noch viel mehr als die eigenen Kinder“, sagt Hans Dusolt. Zumindest dann, wenn die Großeltern vor der Trennung einen engen Kontakt zu den Enkeln hatten. „Dann kommt Oma und Opa bei der Trennung die wichtige Rolle zu, ihren Enkeln im erweiterten familiären Umfeld möglichst viel Stabilität und Sicherheit zu bieten“, so Dusolt.
Zwischen 40 000 und 50 000 Scheidungskinder jährlich verlieren durch die Trennung den Kontakt zu einem Elternteil. „Meist bedeutet das auch, dass die Großeltern von dieser Seite dann keinen Kontakt mehr zu den Enkeln haben“, sagt Annemie Wittgen von der Bundesinitiative Großeltern. Die Initiative setzt sich dafür ein, dass Großeltern und Enkel trotz Konflikten oder Trennungen in Familien weiterhin die Verbindung halten können. „Denn gerade wenn ein enges Verhältnis bestand, ist das für beide Seiten wirklich sehr schlimm, wenn der Kontakt plötzlich abbricht“, so Wittgen. Die Enkel hätten dann nicht selten das Gefühl, dass sie Schuld an der Situation seien. Gleichzeitig wollten sie sich ihren Eltern gegenüber loyal verhalten, so wüchsen die Entfremdung und das Misstrauen den Großeltern gegenüber.
Rechtlich gesehen haben Großeltern zwar ein Recht auf Umgang mit ihren Enkeln – sofern dies dem Wohl des Kindes dient. Diese Einschränkung führt Hans Dusolt zufolge aber dazu, dass Großeltern meist schlechte Chancen haben, die Enkel zu sehen, wenn die Eltern dies nicht wollen. „Denn sie haben ja jederzeit die Möglichkeit, einen Konflikt mit Absicht zu schüren“, so Dusolt. Das aber bringe das Kind in Loyalitätskonflikte – was nicht seinem Wohl diene.
Bevor man als Großeltern auf die Idee kommt, vor Gericht zu ziehen, empfiehlt er immer, es mit einer psychologischen Familienberatung zu versuchen – gemeinsam mit den Kindern an einem Tisch. „Oft haben die Konflikte ganz viel mit Ängsten zu tun“, so Dusolts Erfahrungen. Beispielsweise, dass die Schwieger-Großeltern die eigenen Kinder gegen einen aufhetzen könnten.
Marianne K. empfiehlt auch den Großeltern eine gewisse Selbstreflexion. „Nicht selten höre ich, dass viel gejammert und geklagt wird, meist über die böse Schwiegertochter, die Schuld ist am fehlenden Kontakt“, so Marianne K. Die Schuld immer nur bei anderen zu suchen, bringe einen aber nicht weiter. In Familien gehe es selten nur harmonisch zu, man müsse immer versuchen, irgendwie miteinander klar zu kommen – und persönliche Befindlichkeiten auch mal außen vor zu lassen. „Das Wichtigste ist, dass man im Sinne der Enkel handelt. Die Erwachsenen stehen nicht im Vordergrund, die Kinder haben ein Recht auf einen ungehinderten Umgang mit ihrer ganzen Familie“, sagt auch Annemie Wittgen.
Sie rät Großeltern, es immer wieder zu versuchen, mit den Enkeln in Kontakt zu treten. Wenn Anrufe unbeantwortet bleiben und selbst Briefe oder Päckchen zurückgeschickt würden, empfiehlt sie, ein Buch anzulegen und die Gedanken und Gefühle für die Enkel aufzuschreiben. „So haben diese zumindest vielleicht später mal die Möglichkeit zu lesen, wie die Großeltern wirklich zu ihnen standen“, sagt Annemie Wittgen.
Vorteile für Beide
Haben Großeltern regelmäßig Kontakt zu ihren Enkeln und werden auch in ihre Betreuung eingebunden, wirkt sich das positiv auf ihre Gesundheit aus. Die Flexibilität bleibt höher, das Gedächtnis besser, depressive Symptome sind seltener, sie fühlen sich jünger – so das Ergebnis verschiedener Studien. Die Enkel wiederum profitieren davon, dass ihre familiären Wurzeln bei den Großeltern liegen, sie Heimat stiften, Verbundenheit, Tradition und Geborgenheit vermitteln – und einfach fast immer Zeit für sie haben.