Die Wirtschaftsinstitute haben ihre Wachstumsprognosen erhöht. Die Kammerorganisation DIHK hält den Aufwärtstrend in diesem Jahr für gesichert. Droht nun ein Störfeuer durch den Handelsstreit? Die Ökonomen bleiben vorerst zuversichtlich.

Berlin - Der Aufschwung in Deutschland geht ins neunte Jahr – und dennoch sind die Konjunkturforscher und Wirtschaftsverbände gerade dabei, ihre Prognosen weiter anzuheben. Die Wirtschaftsweisen, die die Bundesregierung beraten, stellten jüngst fest, dass sich Deutschland in einer Hochkonjunkturphase befindet. Ungeachtet des schwelenden Handelsstreits mit den USA und der Brexit-Gefahren läuft der Wachstumsmotor auf Touren. „Wir sehen ein rundes Konjunkturbild“, sagte Volker Treier, Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), unserer Zeitung. Die deutsche Volkswirtschaft weise das beste Wachstum seit einem Jahrzehnt auf, wenn man einmal von den Nachholeffekten nach der Finanzkrise von 2008/09 absieht. Für das laufende Jahr erwartet der DIHK ein Wachstum von 2,7 Prozent. Im Jahr 2017 lag es einen halben Prozentpunkt niedriger.

 

Aufschwung in diesem Jahr ist gesichert

Der Vizechef der Kammerorganisation hält den Aufschwung in diesem Jahr für gesichert. Der Aufwärtstrend werde von den bekannten Faktoren getragen: der guten Binnennachfrage, einer halbe Million neuer Jobs allein in diesem Jahr, zusätzlichen Investitionen des Staates und einem starken Exportgeschäft. Dass sich die Konjunktur noch einmal verstärkt, liegt am Verhalten der Unternehmen. „Entscheidend ist: Wir können von einem Investitionsaufschwung in der privaten Wirtschaft sprechen“, sagte Treier. Die Unternehmen erhöhten ihre Investitionsbudgets kräftig. Das sichert die Erholung im laufenden Jahr ab. „Die deutschen Unternehmen werden ihre Investitionspläne in diesem Jahr kaum noch korrigieren – daran ändern neue Gefahren durch einen Handelskrieg nichts“, meinte Treier. Regelmäßig befragt der DIHK seine Mitgliedsunternehmen, wie sie die konjunkturelle Lage beurteilen. Vor allem größere Unternehmen, die im Auslandsgeschäft mitmischen, geben an, dass sie sich momentan in der expansivsten Phase seit zehn Jahren befinden. Treier hält damit die Prognosen für untermauert. Deutschland profitiert stark davon, dass das Wachstum in fast allen Weltregionen anzieht. Die Wirtschaftsweisen bringen das in ihrem jüngsten Konjunkturbericht auf diesen Nenner: „Die Weltwirtschaft erlebt derzeit die erste synchrone Expansionsphase seit Ausbruch der Finanzkrise vor rund zehn Jahren.“ Nicht nur die USA, Russland, China und Brasilien sind auf Wachstumskurs. Auch die Eurozone meldet sich in robuster Verfassung zurück. In allen Euroländern, einschließlich Griechenland, steigt das Bruttoinlandsprodukt – im Schnitt um 2,3 Prozent in diesem Jahr. Davon profitiert die exportstarke deutsche Wirtschaft.

Kippt die Jubelstimmung?

Droht diese Jubelstimmung nun angesichts der Handelskonflikte zu kippen? Klar ist, dass die Verhängung von Strafzöllen zu einer gefährlichen Spirale führen würde. Die USA nehmen Europa bei ihren Strafzöllen auf Stahl und Aluminium zwar vorläufig aus. Doch die Drohung bleibt bestehen. „Falls es zu einem Handelskrieg kommt, hätte das mittelfristig gravierende Folgen“, so Treier. Der Streit habe das Zeug dazu, dass die Konjunktur im kommenden Jahr abbröckeln könnte. Die Ökonomen sind sich einig, dass eine Eskalation des Handelskonflikts die internationalen Lieferketten beeinträchtigen würde. Gerade auch Deutschland mit seiner offenen und international verflochtenen Volkswirtschaft wäre betroffen. Risiken für den deutschen Aufschwung gehen auch von anderen Trends aus. Der Fachkräftemangel entwickelt sich zu einem ernsthaften Hindernis. „Deutschland könnte noch stärker wachsen, wenn es den Fachkräftemangel nicht gäbe“, sagte Treier. Da wegen des demografischen Wandels in den nächsten Jahren immer mehr Fachkräfte aus dem Erwerbsleben ausscheiden, dürfte dieses Problem im nächsten Jahrzehnt richtig akut werden. Das Institut für Weltwirtschaft Kiel kommt in einer Analyse zum Schluss, dass in den 2020-er Jahren die Wachstumskräfte nachließen. Die Forscher führen das auf die Überalterung der Gesellschaft zurück. Spätestens dann beginne der konjunkturelle Abstieg, sagte Stefan Kooths vom Kieler Institut.

Die Wirtschaft verlangt einen Reformkurs

Langfristige Prognosen sind allerdings mit großer Unsicherheit behaftet. Bisher führte die Zuwanderung aus EU-Ländern dazu, dass jüngere Menschen auf den deutschen Arbeitsmarkt strömten. Allerdings erwarten Forscher, dass künftig nicht mehr so viele EU-Zuwanderer in Deutschland arbeiten wollen. Grund dafür ist, dass sich die Lage in der Heimat verbessert. Auch die Bundesregierung weiß, dass es falsch wäre, sich auf Erfolgen auszuruhen. Die Wirtschaftsverbände verlangen einen stärkeren Reformkurs. „Die Zeit, in der die deutsche Wirtschaft besonders begünstigt war, läuft aus“, sagte DIHK-Außenhandelschef. Gerade weil die deutschen Unternehmen auf vielen Auslandsmärkten erfolgreich sind, setzte der Aufschwung hierzulande früh ein. Inzwischen holten andere Länder auf. Die US-Unternehmen seien mit der Steuerreform von Präsident Donald Trump äußerst zufrieden, sagte Treier. Staaten wie die USA, Frankreich oder Großbritannien rüsteten sich für den Wettbewerb, indem sie beispielsweise die Unternehmenssteuern senken. Die deutsche Politik solle sich wieder stärker um die Frage kümmern, wie die Bedingungen am Standort Deutschland verbessert werden können, sagte Treier. Bisher hat die große Koalition eine Unternehmenssteuerreform nicht vorgesehen.

Doch Finanz- und der Wirtschaftsministerium beobachten die Aktivitäten anderswo. Die Bundesregierung diskutiert schon die Frage, wie sie einer schwächeren Konjunktur entgegenwirken kann. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) plädiert dafür, das deutsche Modell der sozialen Marktwirtschaft zu erneuern. Noch sind das Planspiele. Doch die Berliner Politik weiß, dass es nicht immer so weitergeht.