Weltwirtschaft und hausgemachte Probleme: Diese Kennzahlen zeigen, warum die Erholung der Wirtschaft auf sich warten lässt – und wo es einzelne Lichtblicke gibt.
Es steht nicht gut um die deutsche Wirtschaft. Während andere Volkswirtschaften in der EU wachsen, kommt der Aufschwung hierzulande nicht in Gang. Um die Lage zu verstehen, hilft ein Blick auf einige Kennzahlen. Sie zeigen, welche Probleme hausgemacht sind und wo Deutschland äußere Faktoren zu spüren bekommt – und welche Entwicklungen trotz allem Hoffnung machen.
Keine Trendwende durch Wachstumsinitiative der Bundesregierung
Alle großen Wirtschaftsinstitute haben die Zahlen zum Wirtschaftswachstum nach unten korrigiert. Noch im Juni hielt das Münchener Ifo-Institut ein Wachstum von 0,4 Prozent für möglich, nun geht es von einer Stagnation aus. Auch das Berliner DIW schließt sich dieser Vorhersage an. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) rechnet sogar damit, dass Bruttoinlandsprodukt 2024 um 0,1 Prozent zurückgehen wird.
Lob, aber es reicht nicht
Zwar lobt auch das DIW die 49 Maßnahmen der Wachstumsinitiative der Bundesregierung. Dazu zählen etwa bessere Abschreibungsmöglichkeiten bei Investitionen oder Anreize für ältere Arbeitnehmer, länger im Beruf zu bleiben. Doch eine echte Trendwende wird dadurch nicht erwartet. Zumindest werden die Aussichten besser, sagt Geraldine Dany-Knedlik, Leiterin Prognose und Konjunkturpolitik vom DIW in Berlin: „Die Erholung ist nicht aufgehoben, nur aufgeschoben.“ Für 2025 erwartet das Institut ein Wachstum von 0,9 Prozent, für 2026 etwa 1,4 Prozent.
Schwaches Investitionsvolumen in der Industrie
Im Gegensatz zu anderen Ländern in Europa ist die Industrie in Deutschland noch immer sehr viel wichtiger als in anderen Ländern. Doch investiert wird nur wenig. Nach Zahlen des Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) liegt das Investitionsvolumen derzeit unter dem Stand von 2019. Für Volkswirtschaftler Jens Südekum von der Universität Düsseldorf ist die Schwäche bei den Investitionen besorgniserregend – und teils auch ein Versäumnis der Unternehmen. Er sagte im Gespräch mit unserer Zeitung: „Die Zahlen zeigen eindeutig, dass die deutschen Unternehmen in den vergangenen Jahren zu wenig investiert haben, weniger auch als etwa französische Unternehmen. Mein Eindruck ist: Hier hat man sich in guten Zeiten auf dem eigenen Erfolgen ausgeruht und nicht die notwendigen Weichen für die Zukunft gestellt. Das rächt sich jetzt.“ Immerhin: Die Inflation sinkt und es wird erwartet, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen weiter senkt – was Kredite für Investitionen günstiger macht.
Hohe Energiepreise fördern Abwanderungstendenzen
Ein weiteres Problem für die Industriebetriebe sind die hohen Energiepreise. Inzwischen liegen diese zwar wieder auf ähnlichem Niveau wie vor Russlands Überfall auf die Ukraine – aber immer noch über dem langjährigen Mittel. Laut einer Umfrage der DIHK denkt daher eine wachsende Zahl an Unternehmen daran, auszuwandern.
„Die Zahl der Industriebetriebe, die Produktionseinschränkungen oder eine Abwanderung ins Ausland erwägen, steigt kontinuierlich – von 16 Prozent im Jahr 2022 über 31 Prozent 2023 auf jetzt 37 Prozent“, heißt es in einer Umfrage.
Veränderte Rolle Chinas in der Weltwirtschaft
Deutschlands Wirtschaft ist stark auf den Export ausgelegt. In den vergangenen Jahren machten deutsche Unternehmen besonders gute Geschäfte in China, darunter die Autobauer. Diese goldenen Zeiten dürften nicht mehr wiederkehren, sagt Volkswirtschaftler Südekum. „Chinas erklärte Strategie ist es, sich unabhängiger von ausländischen Exporten zu machen.“ In manchen Bereichen klappt das sehr gut.
Nachfrage in EU stärken
In China sind weniger Premium-Autos aus Deutschland, sondern heimische E-Autos gefragt. „Man sollte also nicht unbedingt darauf setzen, dass die Ausfuhren nach China das Geschäft der deutschen Unternehmen retten“, sagt Südekum. Seiner Ansicht nach müsse man dafür sorgen, dass die Nachfrage in der EU stärker werde.
Auch sonst gibt es für die Weltwirtschaft geopolitische Risiken – und somit für die deutsche Exporteure. Dazu zählt die Lage im Nahen Osten, Handelsstreitigkeiten zwischen der EU und China oder ein Wahlsieg von Donald Trump in den USA.