Zwei kleine Firmen aus Kalifornien kündigen Bilder von jedem Ort der Welt an. Sie werden nicht so gut aufgelöst sein wie bei Google Maps, dafür aber fast täglich aktualisiert. Für Datenschützer ein Albtraum.

Stuttgart - Die neue Technologie für Satellitenbilder ist etwa so groß wie ein Schuhkarton. Drei ehemalige Ingenieure der US-Weltraumagentur Nasa haben sie entwickelt. Mini-Satelliten, nur mit dem nötigsten ausgestattet: eine hochauflösende Kamera zum Fotografieren, Solarzellen für die Energieversorgung und eine Antenne zum Senden der Bilder.

 

Seit Ende Februar umkreist ein Schwarm dieser Satelliten die Erde. Sie wurden von der Crew der Internationalen Raumstation (ISS) ausgesetzt und sollen Ende dieses Jahres einsatzbereit sein. Die 28 Mini-Satelliten werden dann ständig fotografieren, während sie in 400 Kilometer Höhe auf einer ähnlichen Bahn wie die ISS unterwegs sind. Auftraggeber ist ein kleines, drei Jahre altes Startup-Unternehmen aus Kalifornien: Planet Labs.

Das Unternehmen plant mit seinen Satellitenbildern eine Revolution. Die Fotos sollen ständig aktualisiert werden, mindestens einmal die Woche. Von manchen Regionen wird es sogar mehrmals täglich neue Luftbilder geben. Das würde den Konkurrenten Google Earth wortwörtlich alt aussehen lassen. Dessen Bilder liefern zwar für Europa und viele Bundesstaaten der USA dank der besseren Auflösung von 15 Zentimetern pro Pixel mehr Details, weil sie aus Flugzeugen fotografiert wurden. Ihnen fehlt aber die Aktualität, sie sind meistens mehrere Jahre alt.

Die Firma hofft auf kreative Anwendungsideen der Nutzer

Will Marshall, Chef von Planet Labs, schwärmt von den neuen Möglichkeiten. „Die Echtzeit-Bilder der Erde sollen es den Menschen ermöglichen, den Planeten besser zu verstehen und Regierungen zum Handeln anspornen“, beschreibt der Physiker seine Vision. Die Anwendungsbeispiele auf der Website der Firma haben humanitären und ökologischen Hintergrund: Die Fotos helfen bei der Bewältigung von Naturkatastrophen und Waldbränden, dienen zur Ortung illegaler Fischerboote, dokumentieren die Rodung der Wälder und liefern Informationen über den internationalen Warenverkehr mit Containerschiffen oder für regionale Verkehrsprojekte.

Planet Labs gibt sich als Verfechter einer Open-Access-Strategie, will also seine Daten öffentlich machen. „Durch die Kreativität der Nutzer und Entwickler werden viele Anwendungen entstehen, die wir uns derzeit noch nicht vorstellen können“, sagt Marshall. Doch umsonst wird es die Bilder wohl kaum geben. Nach Angaben der Wirtschaftsagentur Bloomberg hat Planet Labs von seinen Investoren 67 Millionen US-Dollar gesammelt, die refinanziert werden wollen. Details zum Geschäftsmodell wollen die Kalifornier erst „später in diesem Jahr“ bekannt geben, heißt es auf Nachfrage. Der soziale Aspekt sei den Firmengründern aber wichtig, so Marshall.

Hochaufgelöste Satellitenbilder sind derzeit teuer. Zwei US-Firmen beherrschen den Markt: DigitalGlobe und Airbus Defence & Space verfügen über herkömmliche Technik. Sie gelten als wenig innovativ und wollen auf die Konkurrenz nicht reagieren. Planet Labs könnte die Bilder vermutlich günstiger anbieten. Die Mini-Satelliten kosten nur einen Bruchteil dessen, was für die großen Vorbilder nötig ist, weil die Entwickler Elemente aus Mikro-Elektronik und Handy-Technik verwenden. Und bei nur fünf Kilo Gewicht wird auch der Transport ins Weltall deutlich billiger.

Die Geschäftsidee scheint attraktiv: In Kalifornien verfolgt ein weiteres Startup nämlich das gleiche Ziel. Die vier Gründer von Skybox Imaging hängen hinter dem Konkurrenten zwar in der Umsetzung zurück. Ihr Satellitenschwarm wird frühestens Ende 2016 halbwegs vollständig sein. Dafür soll die Auflösung ihrer Kameras ein Meter pro Pixel betragen und damit besser als die von Planet Labs. Mit dieser Technik lassen sich Menschen wie Ameisen erkennen und markante Gebäude einwandfrei identifizieren. Während der Unruhen in der Ukraine lieferte ein Test-Satellit des Unternehmens bereits aktuelle Luftbilder zur Beurteilung der Lage.

Juristisch lässt sich gegen die Aufnahmen wenig ausrichten

Die beiden Unternehmen stehen nicht nur für eine Revolution in der Nachfolge von Google Earth. Sie zeigen, dass die Zukunft der Raumfahrt privat sein wird. Den Nachschub für die ISS befördern schon heute überwiegend Privatfirmen ins Weltall. Den Europäern, Russen und Amerikanern fehlt das Geld für staatliche Projekte. Gleichzeitig entwickeln gut ausgebildete Ingenieure einfachere Lösungen. Ihre Teams sind schneller und flexibler als die der Nasa, deren Projekte während des Streits um das Budget oft jahrelange Schleifen drehen müssen.

Skybox Imaging hat seine Wurzeln in der Datenbanktechnik und der Softwareentwicklung. „Unser Vorteil besteht darin, dass wir nicht nur die Fotos haben, sondern zusätzlich Daten am Boden besitzen“, erklärt Ching-Yu Hu, „dafür interessieren sich viele Firmen.“ Die Mitbegründerin des Unternehmens wirbt in den US-Medien recht offen für die Kombination von Big Data mit aktuellen Satellitenbildern, die präzise Straßen und Orten zugeordnet werden können.

Ein Albtraum für Datenschützer: mit dem Blickwinkel von oben erinnern die Mini-Satelliten an einen Paparazzi-Fotografen, der leicht über Hecken und Mauern schauen kann. „Selbst wenn sich auf den Bildern keine Personen identifizieren lassen, so erleichtern sie doch den Einblick in die Privatsphäre, etwa wenn man zusätzliche Informationen besitzt“, sagt Thomas Dreier, Professor am Karlsruher Zentrum für Angewandte Rechtswissenschaft (ZAR). Wenn man weiß, wo jemand wohnt, ließe sich erkennen, ob das Auto vor der Tür steht oder wie der Garten genutzt wird.

Der Sturm der Empörung wie bei Google Streetview dürfte erfolglos bleiben. „Das nationale Recht auf Datenschutz ist in diesem Fall vermutlich nicht anwendbar“, urteilt Nikolaus Forgó, Professor am Institut für Rechtsinformatik der Universität Hannover. „Es kommt darauf an, ob personenbezogene Daten im Inland erhoben oder verarbeitet werden. Das ist bei Aufnahmen aus dem All, die durch ein amerikanisches Unternehmen gemacht werden, wohl in der Regel zu verneinen“, erklärt der Jurist. „Als Google Earth seinen Dienst eingerichtet hat, wurden die Fotos ohne große Debatte ins Internet gestellt“, erinnert sich Thomas Dreier. Damals sei die Gesellschaft noch nicht so sensibilisiert gewesen.

Zwei Startups fordern Google heraus

Planet Labs
Drei ehemalige Nasa-Wissenschaftler gründeten die Firma 2010 in San Francisco. Das Unternehmen mit nur 50 Mitarbeitern hat seine 32 Mini-Satelliten selbst entwickelt und bereits im Weltall platziert. Das Geschäftsmodell bevorzugt die Massenproduktion kleiner Satelliten, die häufig erneuert werden, gegenüber aufwendigen Entwicklungen mit längerer Lebensdauer. Die Leichtgewichte verfügen über keinen eigenen Antrieb und werden in etwa zwei Jahren verglühen. Danach wird eine technisch verbesserte Version folgen.

Skybox Imaging
Das Unternehmen mit 100 Mitarbeitern entstand 2009 im kalifornischen Palo Alto. Die vier jungen Gründer aus verschiedenen Fachrichtungen lernten sich während ihres Studienabschlusses an der Universität Stanford kennen. Als Chef holten sie 2011 Tom Ingersoll, der 25 Jahre bei der Nasa gearbeitet hat. Ihre Flotte mit 24 Satelliten ist mit einem Gewicht von 100 Kilo pro Stück aufwendiger im All zu platzieren. Dafür besitzen die Kameras eine bessere Auflösung und sollen sogar HD-Videos liefern.

Google Maps
Die Geschichte des Internetangebots von Google Maps beginnt im Jahr 2004 mit dem Kauf des US-Startups Keyhole. Keyhole nutzte eine Datenbank von Luftaufnahmen aus Flugzeugen und von Satelliten zur Erzeugung dreidimensionaler Karten (Earth viewer). Google betreibt keine eigenen Satelliten, sondern kauft seine Bilder aus verschiedenen Quellen. Der Erfolg besteht in der Einbettung in der eigenen Suchmaschine; Google Maps kann bei Einhaltung der Lizenzbedingungen in jede Interseite eingebunden werden.