Für Kinder ab drei Jahren ist die Betreuung kostenlos – zumindest fünf Stunden am Tag. Die Stadt senkt auch die Kosten für die Betreuung von Kleinkindern. Sie sind im Vergleich relativ hoch.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Andreas Genth ist jetzt sehr glücklich. Von kommenden September an geht sein dreijähriger Sohn kostenlos in den Kindergarten – zumindest für 25 Stunden in der Woche. Bis dahin schafft die Stadt Böblingen die Gebühr für die Betreuung ab. Auch für Eltern, die kleinere Kinder haben, sinken dann die Kosten. „Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden“, sagt der Vorsitzende des Gesamtelternbeirats der Kitas in Böblingen. Bei den Haushaltsberatungen haben sämtliche Fraktionen im Gemeinderat einen entsprechenden Antrag gestellt, die Verwaltung muss die Vorschläge nun umsetzen. Sie rechnet mit jährlichen Mindereinnahmen von einer Million Euro. In der Region Stuttgart ist Böblingen bislang die einzige Kommune, die die Kita-Gebühren abschafft.

 

90 Prozent der Kinder profitieren davon

„Ich denke schon, dass Böblingen in der Lage ist, die Eltern zu entlasten“, sagt Tobias Heizmann. Für sie könnten damit Gebühren zwischen 95 Euro für ein Kind im Kindergarten, 73 Euro für das zweite und 48 Euro für das dritte Kind entfallen. Zusätzliche Stunden müssten weiterhin bezahlt werden, für eine Betreuung von 40 Stunden etwa 60 Euro. Im U3-Bereich wird der Beitrag vermutlich von derzeit 279 Euro für 25 Stunden auf rund 200 Euro sinken. Zurzeit verfügen die Kindergärten in Böblingen über 1783 Plätze, die Krippen können rund 380 Kleinkinder aufnehmen. Etwa 90 Prozent der Kinder profitieren von der Abschaffung und Senkung der Gebühren, da die meisten kirchlichen und freien Einrichtungen über das städtische System abgerechnet werden.

„Es handelt sich um die größte Entlastung für Eltern in den vergangen zehn Jahren“, freute sich Florian Wahl über die Entscheidung des Gemeinderats. Seine SPD-Fraktion streite bereits seit 14 Jahren dafür. Eine wirtschaftlich starke Stadt wie Böblingen könne den Beschluss dauerhaft finanzieren, heißt es im mit den Freien Wählern, den Grünen und der FDP verfassten Antrag. Der angespannte Wohnungsmarkt würde die Familien genug belasten, sie wollen davon abgehalten werden wegzuziehen. Auch die CDU ist auf das Thema aufgesprungen. Die Stadträtin Irmgard Spruth-Müller orientierte sich an Heilbronn, wo die Kindergärten seit 2008 komplett kostenlos sind. „Die Möglichkeit der Teilhabe der Kleinsten am Bildungsangebot sollte nicht von der wirtschaftlichen Situation der Eltern abhängen“, argumentierte die Fraktion in ihrem Antrag.

Bisher bis zu 800 Euro im Monat

Eltern mit einem Kind in der Krippe und einem im U3-Bereich müssten bis zu 800 Euro im Monat inklusive Mittagessen dafür bezahlen, rechnet die CDU vor. In Sindelfingen sind es für eine Betreuung von 40 Stunden dagegen rund 460 Euro, in Stuttgart 470 Euro und in Ludwigsburg 584 Euro. „Die Unzufriedenheit bei den Eltern ist sehr hoch“, sagt Andreas Genth über Böblingen – „und steigt mit den Gebühren.“ Der Landesrichtwert lautet, sich 20 Prozent der Betreuungskosten bei den Eltern zu holen. Böblingen hat sich für eine Deckung von 18 Prozent entschieden, Sindelfingen verlangt elf Prozent. Mit der Gebührenabschaffung und der Senkung für die Krippe kämen Böblinger Eltern von einem U3- und einem Ü3-Kind nach den bisherigen Vorschlägen auf einen Satz von 530 Euro im Monat.

In Baden-Württemberg ist Künzelsau Vorreiter: Die 15 300-Einwohner-Stadt im Hohenlohekreis bietet vom 1. Januar an jegliche Kinderbetreuung umsonst an. Im Stuttgarter Gemeinderat wurde eine Abschaffung der Gebühren erst gar nicht thematisiert. Dort müssen finanzschwache und kinderreiche Familien ebenfalls nichts bezahlen. In Ludwigsburg gibt es bisher auch keine solchen Überlegungen, in Waiblingen erhielten entsprechende Anträge keine Mehrheit. Die Stadt im Rems-Murr-Kreis hat im Juni beschlossen, dass nur zehn Prozent der Kosten durch Elternbeiträge finanziert werden sollen. Außerdem wurde mit dem Elternbeirat ein einkommensabhängiges Modell entwickelt. Der Oberbürgermeister Andreas Hesky hält nichts davon, die Gebühren abzuschaffen: vor allem nicht für einzelne Angebote. „Dies könnte Eltern dazu veranlassen, nur der Kostenfreiheit wegen nicht den notwendigen Betreuungsumfang zu wählen.“

Einig sind sich die Kommunen darin, dass das Land die Verantwortung übernehmen soll. „Die Kita ist zu einer Bildungseinrichtung geworden“, sagt Andreas Hesky, „und Bildung ist Ländersache.“ Auch sein Böblinger Kollege Tobias Heizmann wünscht sich einheitliche Regeln. Aber diese Woche hat die Grün-Schwarze Koalition einstimmig im Landtag erklärt, dass die Kinderbetreuung Sache der Kommunen ist und bleiben soll. „Investitionen in die Qualität der Betreuung haben Vorrang vor der Gebührenfreiheit“, hieß es darüber hinaus zum neuen Gute-Kita-Gesetz der Bundesregierung, das Millionenzuschüsse beinhaltet. Die Finanzierung der Gebührenfreiheit sei auch nicht ohne, ergänzt Christina Sattler. In Niedersachsen seien für den kostenlosen Kindergarten die Beiträge für die Krippe erhöht worden, berichtet die Sprecherin des Kultursministeriums. Und in Berlin. wo die Betreuung ganz umsonst ist, kämen auf eine Erzieherin doppelt so viele Kinder wie in Baden-Württemberg.