Der Bundesinnenminister Thomas de Maizière reformiert nach dem NSU-Skandal den Geheimdienst und schwächt damit die Stellung der Landesämter. Das dürfte noch Ärger geben.

Berlin - Die Verfassungsschutzbehörden haben beim Versuch der Aufklärung der Morde des rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) versagt. Deshalb plant Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) eine Reform des Inlandsgeheimdienstes, der in 16 Landes- und eine Bundesbehörde aufgeteilt ist. Kern des Entwurfs, der jetzt im Bundeskabinett verabschiedet wurde, ist ein intensiver Datenaustausch zwischen den Behörden und eine Stärkung des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

 

Der Entwurf sieht vor, dass die 17 Behörden alle „relevanten Informationen“ über das zentrale digitale Nachrichtendienstliche Informationssystem (Nadis) austauschen müssen. Bislang entscheiden die Länder, welche Informationen den Bund zu interessieren haben. Außerdem soll die Informationsmenge ausgeweitet werden. Bisher wurden umfangreichere Dossiers nur von Extremisten weitergegeben, die als gewaltbereit eingestuft wurden. Da aber beispielsweise bei Salafisten der Übergang von extremistischer Rhetorik zu gewalttätigen Aktionen fließend sei, müsse diese „sehr theoretische Unterscheidung“ abgeschafft werden, heißt es im Bundesinnenministerium.

Die Bundesdatenschutzbeauftragte AndreaVoßhoff reagierte prompt, sie äußerte „erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken“. De Maizière wies die Kritik zurück. Die Kontrolle sei gewährleistet. So würden sämtliche Zugriffe auf das Informationssystem protokolliert.

Der V-Mann-Einsatz wird gesetzlich geregelt

Besonders heikel ist für die Bundesländer, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz notfalls auf eigene Faust und gegen den Willen des eigentlich zuständigen Landesamtes gegen gewaltbereite Gruppen ermitteln soll. De Maizière rechnet deshalb zwar mit Widerspruch aus den Ländern, sieht aber keine Notwendigkeit, über diesen Punkt zu verhandeln, da dieses Gesetz ohne die Zustimmung der Länder im Bundesrat verabschiedet werden könne.

Auch die Arbeit der V-Leute soll auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt werden. De Maizière will an solchen Informanten festhalten, auch wenn es sich dabei, wie er selbst einräumt, meist um zwielichtige Personen handle. Um die Risiken zu minimieren, sollen jetzt die Bedingungen für einen V-Mann-Einsatz, die bisher durch interne Verordnungen geregelt waren, in einem Gesetz festgelegt werden. Demnach dürfen V-Leute nicht minderjährig und nicht durch eine Vorstrafe ohne Bewährung belastet sein. Sie dürfen auch nicht in leitender Funktion einer extremistischen Organisation tätig sein oder gar eine solche gründen. Szenetypische Verhaltensweisen wie der Hitlergruß oder das Schwenken einer Fahne des Islamischen Staates sollen nicht geahndet werden, wenn die Informanten ansonsten enttarnt würden. Nicht erlaubt sind aber Angriffe auf Individualrechte wie Sachbeschädigung und Körperverletzung. Allerdings kann auch bei diesen Straftaten im Einzelfall die Einstellung eines Verfahrens angestrebt werden, wenn das zu erwartende Strafmaß nicht über einem Jahr liegt und der Nutzen der Informationen für die Ermittler von großer Bedeutung ist.

Scharf kritisierte de Maizière die thüringische Landesregierung, die alle V-Leute abschalten will. Im Kreise der Länder werde man im Juni über Konsequenzen aus dieser Entscheidung beraten.