Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

„Es gibt beim Konsum keine grundsätzliche Umorientierung“, konstatiert Wolfgang König. Der Professor für Technikgeschichte an der TU Berlin hat ein Buch über die deutsche Konsumgesellschaft geschrieben – vom Wirtschaftswunder bis heute. In den fünfziger und sechziger Jahren habe Deutschland „ein ordentliches Konsumniveau erreicht“. Davon runterzukommen, sei schwer – weil der Mensch stets mehr wolle, als er schon hat.

 

Vom Konsum als anthropologische Konstante will der Professor aber nichts wissen. Er begründet das Mehr im Konsum soziologisch. Man verzichte vielmehr erst, wenn die Menschen um einen herum es auch tun. Wissenschaftler nennen das Gefangenendilemma: Wenn ich weniger konsumiere, habe ich sofort einen Nachteil – etwa einen geringeren sozialen Status, weil ich das neue I-Phone nicht besitze. Die Vorteile, die sich aus dem Verzicht ergeben, sieht man nicht sofort. Wenn die Erde heruntergewirtschaftet ist, will es keiner gewesen sein. Wir waren es alle zusammen.

Der Konsum wandelt sich

Der Konsum in Deutschland ist kein Fixum, sondern er wandelt sich ständig. Laut Zahlen des statistischen Bundesamts geben die privaten Haushalte in Deutschland heute im Schnitt weniger für Kleidung aus als 1998. Auch für Möbel und Haushaltsgeräte wird weniger aufgewendet. Das dürfte vor allem an den gesunkenen Preisen liegen. Ketten wie H&M, Ikea und Saturn („Geiz ist geil!“) haben mit ihrer Niedrigpreisstrategie dazu beigetragen, das Internet und die damit verbundene höhere Preistransparenz ebenfalls.

Dass die Deutschen deshalb weniger Schränke, Schuhe, Kommoden, Pullis, Computer oder Kaffeemaschinen kauften, stimmt aber auch nicht. Einzelhandel und Verbraucher haben vielmehr die Schlagzahl erhöht. Wenn Möbel so günstig sind wie bei Ikea, kann man alle paar Jahre neue kaufen. Die neueste Herbstmode holt man sich von H&M (oder im Midseason-Sale), damit man sie im Frühjahr guten Gewissens aussortieren kann. Der Konsum wird intensiver, indem er häufiger stattfindet. Der Verbraucher erhöht, einem Drogenabhängigen gleich, die Konsumfrequenz. Er wird zum Kauf-Junkie.

Der Konsumforscher spricht vom Gefangenendilemma

„Es gibt beim Konsum keine grundsätzliche Umorientierung“, konstatiert Wolfgang König. Der Professor für Technikgeschichte an der TU Berlin hat ein Buch über die deutsche Konsumgesellschaft geschrieben – vom Wirtschaftswunder bis heute. In den fünfziger und sechziger Jahren habe Deutschland „ein ordentliches Konsumniveau erreicht“. Davon runterzukommen, sei schwer – weil der Mensch stets mehr wolle, als er schon hat.

Vom Konsum als anthropologische Konstante will der Professor aber nichts wissen. Er begründet das Mehr im Konsum soziologisch. Man verzichte vielmehr erst, wenn die Menschen um einen herum es auch tun. Wissenschaftler nennen das Gefangenendilemma: Wenn ich weniger konsumiere, habe ich sofort einen Nachteil – etwa einen geringeren sozialen Status, weil ich das neue I-Phone nicht besitze. Die Vorteile, die sich aus dem Verzicht ergeben, sieht man nicht sofort. Wenn die Erde heruntergewirtschaftet ist, will es keiner gewesen sein. Wir waren es alle zusammen.

Der Konsum wandelt sich

Der Konsum in Deutschland ist kein Fixum, sondern er wandelt sich ständig. Laut Zahlen des statistischen Bundesamts geben die privaten Haushalte in Deutschland heute im Schnitt weniger für Kleidung aus als 1998. Auch für Möbel und Haushaltsgeräte wird weniger aufgewendet. Das dürfte vor allem an den gesunkenen Preisen liegen. Ketten wie H&M, Ikea und Saturn („Geiz ist geil!“) haben mit ihrer Niedrigpreisstrategie dazu beigetragen, das Internet und die damit verbundene höhere Preistransparenz ebenfalls.

Dass die Deutschen deshalb weniger Schränke, Schuhe, Kommoden, Pullis, Computer oder Kaffeemaschinen kauften, stimmt aber auch nicht. Einzelhandel und Verbraucher haben vielmehr die Schlagzahl erhöht. Wenn Möbel so günstig sind wie bei Ikea, kann man alle paar Jahre neue kaufen. Die neueste Herbstmode holt man sich von H&M (oder im Midseason-Sale), damit man sie im Frühjahr guten Gewissens aussortieren kann. Der Konsum wird intensiver, indem er häufiger stattfindet. Der Verbraucher erhöht, einem Drogenabhängigen gleich, die Konsumfrequenz. Er wird zum Kauf-Junkie.

Die Dosis lässt sich nicht beliebig steigern

Doch die Dosis lässt sich nicht beliebig steigern. Die Realeinkommen stagnieren. Der Kuchen wird nicht mehr größer. Weil man sich hierzulande nur ungern verschuldet, aber trotzdem mehr konsumieren will und soll, wird an anderen Schrauben gedreht: am Preis, am Drumherum.

„Würden wir nur dann in Geschäfte gehen, wenn wir etwas kaufen müssen und würden wir nur das kaufen, was wir brauchen, dann würde die Wirtschaft zusammenbrechen“, schrieb der US-Konsumforscher Paco Underhill 1999 in seinem Buch „Why we buy“ („Warum wir kaufen“). Einkaufen ist längst mehr das Beschaffen dringend benötigter Waren. Shopping ist ein Erlebnis, ein Freizeitspaß; man zahlt auch für die Aufmachung der Läden oder, wie bei der US-Kette Abercrombie & Fitch, für attraktive Servicekräfte: Jungs mit Sixpack in der Damen-, knapp bekleidete Latino-Mädels in der Herrenabteilung.

Spülmittel wirbt mit lachenden Spaniern

Der Konsum löst sich mehr und mehr von dem materiellen Produkt. Längst wird kaum mehr mit praktischen Vorzügen der Ware geworben, sondern mit einem Lebensgefühl. Zigarettenmarken führen das seit Langem vor; selbst Spülmittelmarken wie Fairy zeigten schon 1993 die lachenden Spanier aus Villariba. Die Botschaft: So wird der Abwasch zum Erlebnis.

Mehr Konsum, häufigerer Konsum, Konsum als Event: Diese drei Megatrends gibt es. Das „Mehr“ ist der Marktwirtschaft systemimmanent, die beiden anderen sind eher Hilfsstrategien, um in materiell gesättigten Märkten und angesichts kaum mehr steigender Einkommen weiter wachsen zu können. Deshalb gehen Geräte eher kaputt, sind Jeans früher durchgewetzt, brennen Zigaretten schneller ab.

Entschleunigung? Nicht in Shopping-Centern

Zur aktuell oft bemühten Rhetorik des „Weniger“ passt das nicht. Entschleunigung? Nicht in Fußgängerzonen und Shopping-Centern. Gürtel enger schnallen? Nicht wenn die große Portion von heute morgen die kleine ist. Slow Food und Downshifting sind schöne Stichworte, so richtig lebt aber kaum jemand nach diesem Prinzip. Die Beschränkung auf das Wesentliche verträgt sich nicht mit Rabattaktionen und verkaufsoffenen Sonntagen, die so viele als Freizeitvergnügen schätzen.

Vielleicht kommt das Ende ganz von selbst. Waren können nicht immer billiger werden; die Mieten steigen; die Einkommen bleiben quasi gleich. Wolfgang König sagt Verteilungskämpfe voraus: „Die Menschen haben nicht mehr Geld, wollen aber an ihrem Konsumniveau festhalten“, sagt der Konsumforscher. „Gezwungenermaßen“, so König, müssten Menschen sich bescheiden oder zumindest: nicht noch mehr konsumieren. Das wäre für den Ressourcenhaushalt der Erde gut, für den sozialen Frieden womöglich nicht.

Verzicht fällt leichter, wenn man ihn bewusst wählt

Es ist unbestritten, dass Einkaufen heute viel mehr Spaß macht als noch vor zwanzig Jahren – nicht nur, weil die Läden samstags länger auf haben als bis 14 Uhr. Das rechte Maß finden wir aber nicht, wenn wir bloß darüber reden. Wer früher damit anfängt, spürt den Verzicht später nicht so sehr. Das ist ziemlich unsexy, aber es muss uns nicht unglücklich machen: „Glück ist von den individuellen Einstellungen abhängig“, sagt Wolfgang König. Mit anderen Worten: Weniger zu konsumieren ist möglich. Man muss es nur wollen und das Beste daraus machen. Verzicht fällt leichter, wenn man ihn bewusst wählt.

Der Verkäufer am Popcorn-Stand im Kino hatte nach freundlicher Nachfrage übrigens ein Einsehen und füllte einen 0,3-Liter-Colabecher mit Popcorn. Das reichte. Es kostete nur einen Euro. Und nach dem Film fühlte es sich viel besser an.