Der Fischbestand in der Jagst ist auf einer Strecke von zehn Kilometern unterhalb der abgebrannten Mühle bei Kirchberg nahezu ausgelöscht. Bei dem Feuer am 23. August war das belastete Düngemittel mit dem Löschwasser in den Fluss gelangt.

Stuttgart - „Jagst nicht ökologisch tot: Kleinstlebewesen haben überlebt“, so hatte das Landratsamt Schwäbisch Hall vor einem Monat die „sehr gute Nachricht“ verbreitet. Ein Gutachten des Stuttgarter Gewässerbiologen Walter Steineck habe ergeben, dass „das biologische Gesamtbild der Jagst unterhalb der Brandstelle recht ähnlich der unbelasteten Jagst ist“. Vom baden-württembergischen Umweltministerium beauftragte Experten kommen nun zu einem dramatischeren Befund: Der Fischbestand in der Jagst ist auf einer Strecke von zehn Kilometern unterhalb der abgebrannten Mühle bei Kirchberg (Kreis Schwäbisch Hall) nahezu ausgelöscht.

 

Bei dem Feuer war am 23. August mit Ammoniumnitrat kontaminiertes Düngemittel mit Löschwasser in den Fluss gelangt. Über eine Strecke von 45 Flusskilometern wurden auch bei zunächst überlebenden Fischen geschädigte Kiemen entdeckt. „Frühere Befischungen aus den Jahren 2008 bis 2013 wiesen hier die Jagst als artenreiches Gewässer mit guten Fischbestandsdichten aus“, schreibt die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz in dem über 40-seitigen Bericht.

Fische könnten den Winter nicht überleben

Die Experten befürchten, dass die geschädigten Fische den Winter nicht überleben werden. „Wir werden erst im Frühjahr 2016 abschließend Klarheit darüber haben, wie schwer das verunreinigte Löschwasser die Jagst tatsächlich geschädigt hat“, sagt der Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). Auch die seltenen Steinkrebse und Großmuscheln seien erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden. Nur die wirbellosen Kleinlebewesen haben den Chemieunfall offenbar unbeschadet überstanden. Um eine abschließende Aussage zur Beeinträchtigung aller Arten treffen zu können, würden die Bestände in den kommenden Monaten weiter untersucht, sagt Naturschutzminister Alexander Bonde (Grüne). Das Regierungspräsidium Stuttgart erarbeit derzeit das Aktionsprogramm Jagst, um die Artenvielfalt in dem Fluss wiederherzustellen und zu stabilisieren sowie das Gewässer ökologisch zu verbessern.

Darauf setzen die betroffenen Angler, die rund 20 Tonnen tote Barben, Nasen, Döbel, Welse, Aale und andere Fische aus der Jagst geborgen haben. Mit der Informationspolitik vor Ort sind nach wie vor unzufrieden. „Das ist alles nicht nur ein bisschen widersprüchlich“, sagt Bruno Fischer, Nabu-Vorsitzender aus Kirchberg/Jagst, nach einem Treffen im Landratsamt Schwäbisch Hall. Er kritisiert die Zusammenkunft als sehr unbefriedigend: „Die Behörden klopfen sich gegenseitig auf die Schultern.“ Auch Marin Zorzi vom Umweltamt Schwäbisch Hall bemängelt die „Hinhaltetaktik“. Das Landratsamt Hall habe viele Fragen der Naturschützer bis heute nicht beantwortet. Er weiß: „Die Informationskette hat am Anfang völlig versagt.“ Die Aufarbeitung der Katastrophe sei aber zwingend, um in künftigen Fällen gewappnet zu sein.

Nabu-Mann Fischer fordert statt „mittel- und langfristiger Absichtserklärungen“ der Behörden: „Es müssen Maßnahmen im Frühjahr getroffen werden, die Artenvielfalt schnell wiederherzustellen oder ihre Erholung wenigstens zu beschleunigen.“ Die Summe von 15 000 Euro, die auf das Jagst-Spendenkonto einging, reiche bei Weitem nicht aus. Die Fischereivereine haben einen Anwalt eingeschaltet, der eine Sammelklage vorbereitet. „Allein in Kirchberg hat er einen Schaden von 300 000 Euro aufgelistet“, sagt Fischer.