Stuttgarter Clubbetreiber klagen über eine Zunahme von Kontrollen, bei denen die Relation nicht mehr stimmt. Jetzt haben sich die Verantwortlichen von Schocken, Schräglage, Transit und Co. zusammengeschlossen, um mit der Stadt zu verhandeln.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Seit Monaten klagen Stuttgarter Clubbetreiber über immer schärfere Kontrollen von Seiten der Stadt. Mitarbeiter von Ordnungsamt, Polizei und Zoll haben seit Anfang des Sommers immer wieder Lokale in der Innenstadt im laufenden Betrieb mit einem großen Aufgebot kontrolliert – die StZ berichtete. Die Gastronomen stellen dabei nicht die Kontrollen als solche in Frage, sondern beklagen deren angebliche Unverhältnismäßigkeit. Nun haben sich Clubverantwortliche zusammengeschlossen, um den Dialog mit der Stadtverwaltung zu suchen.

 

Initiiert wurde das erste Treffen der Macher von Transit/Bergamo, Schocken, Zwölfzehn, Keller Klub, Rocker 33 und Schräglage vom Popbüro Region Stuttgart. „Ich beobachte schon lange, dass sich das Verhältnis zwischen Verwaltung und Clubbesitzern verschlechtert hat“, sagt Peter James, der Leiter des Popbüros. James war in Berlin und in Hamburg in der Musikbranche tätig, bevor er nach Stuttgart kam. „Im Vergleich zu diesen beiden Städten verfügt Stuttgart über sehr ordentliche Clubbetreiber, was die Einhaltung von Vorschriften angeht.“

Die Klagen von Anwohnern nehmen zu

James hat noch eine weitere Eigenart im Vergleich zu Berlin und Hamburg festgemacht. „Stuttgarter halten sich extrem gerne im Freien auf. Bei der Raumknappheit in dieser Stadt ist es klar, dass sich die Anwohner da mehr und mehr belästigt fühlen.“ Das bestätigt auch Veronika Kienzle, die Bezirksvorsteherin von Mitte. „Wir haben mittlerweile vier Brennpunkte: Die Theodor-Heuss-Straße, den Josef-Hirn-Platz, den Hans-im-Glück-Brunnen und den Schlossplatz.“ Die Klagen von Anwohnern hätten eklatant zugenommen. „Es geht immer um Lärm“, so Kienzle. Bei dieser Häufung von Beschwerden müsse die Verwaltung dann eben reagieren. „Dabei scheint in der jüngeren Vergangenheit aber der Ermessensspielraum verloren gegangen zu sein“, so Peter James.

Darüber klagen auch die betroffenen Gastronomen. „Wo früher eine Verwarnung ausgesprochen wurde, wird heute sofort ein Bußgeld im bis zu vierstelligen Bereich verhängt“, erklärt Ninette Sander, der für die Clubs Schocken und Junior verantwortlich ist. Dabei würden keine gravierenden Verstöße sanktioniert, stattdessen setze es Geldstrafen, wenn das Jugendschutzgesetz nicht in der vorgeschriebenen Größe ausgedruckt sei. „Man hat fast das Gefühl, dass wir derzeit sturmreif geschossen werden, um flächendeckend zur gesetzlichen Sperrzeit zurückzukehren“, fürchtet Carlos Coelho, Betreiber des Keller Klubs und vom Rocker 33. Coelho ist seit 20 Jahren in der Gastronomie tätig: „Solch ein gastrofeindliches Klima habe ich in dieser Stadt aber noch nie erlebt“, sagt er. „Wenn wir gewusst hätten, wie die Stimmung in der Stadt ist, hätten wir das Rocker 33 nicht übernommen“, so Coelho weiter. Die Betreiber des Clubs, der überregional bekannte DJs nach Stuttgart bucht, hatten kürzlich eine Sperrzeitverkürzung nicht bewilligt bekommen. „Daraufhin mussten wir den Donnerstag als Veranstaltungstag beerdigen, das hat sich einfach nicht mehr gelohnt.“

Stadt räumt ein, dass es Nachholbedarf gibt

Unter den hiesigen Gastronomen geht die Angst um, dass dieses Beispiel Schule macht und das Club-Angebot ausgedünnt wird. „Stuttgart hat eine Metropolfunktion. Es muss doch möglich sein, hier eine Grundversorgung zu gewährleisten“, sagt Peter James vom Popbüro. „Es ist die Rolle der Landeshauptstadt, dass sie Kultur anbietet, die im ganzen Land wahrgenommen wird. Und zwar nicht nur im Bereich Oper“, ergänzt Carlos Coelho.

James fordert mehr Verständnis von der Politik: „In Berlin oder Hamburg ist der Stellenwert der Clubs als Wirtschaftsfaktor längst bekannt. Bei der Stuttgarter Verwaltung scheint der Begriff der Clubkultur aber noch nicht angekommen.“ Veronika Kienzle räumt ein, dass hier ein Nachholbedarf bestehe. „Wir müssen von den Clubbetreibern lernen, dass das Thema Platten auflegen eine eigene Kultur mit einer eigenen Dramaturgie geworden ist und ganz anders bewertet werden muss.“

Lärm und Verschmutzung blieben aber ein großes Problem: „Keiner hat Lust auf ein Scherbenmeer und Erbrochenes vor der Haustür“, so Kienzle. Hier zeigen die Clubverantwortlichen Verständnis. Sie denken über die Einführung von Flaschen- und Gläserpfand nach sowie über das gemeinsame Anmieten einer Kehrmaschine. „Wir sind ja nicht die Einzigen, die in dieser Stadt leben“, sagt Ninette Sander, die sich wie Peter James eine Fortführung des Runden Tischs wünscht. Veronika Kienzle will dann auch Ordnungsbürgermeister Martin Schairer in den Dialog einbinden. Das nächste Treffen soll im Januar stattfinden. Dann wollen die Gastronomen auch das Gespräch mit dem neuen Oberbürgermeister suchen. Veronika Kienzle: „Das Thema wird den OB definitiv beschäftigen.“