Der Porsche-Betriebsrat Uwe Hück will Mails nach Dienstschluss verhindern. Das Arbbeitsrecht lässt dies zu. Doch es gibt auch Widerstand.

Stuttgart - Uwe Hück ist bekannt für manchmal etwas provokante Forderungen. In diese Kategorie fällt wohl auch jene, dienstliche Mails zwischen 19 Uhr abends und sechs Uhr morgens sowie am Wochenende nicht nur sperren, sondern sogar löschen zu lassen. Der Porsche-Betriebsratschef geht damit über Regelungen beim Porsche-Mutterkonzern VW hinaus, wo tariflich Beschäftigte unter der Woche zwischen 18 Uhr und sechs Uhr sowie am Wochenende keine Dienstmails mehr bekommen und versenden dürfen. „Was nützt Dir eine Mailsperre, wenn Du ins Büro kommst und erstmal Unmengen an Mails bearbeiten musst“, sagt Hück. Wichtige Mails müssten dann halt nochmals geschickt werden. Hück peilt bis etwa Mitte 2018 eine entsprechende Betriebsvereinbarung bei Porsche an, sagt ein Betriebsratssprecher auf Anfrage.

 

„So eine generelle Forderung ist Populismus pur“, heißt es beim Arbeitgeberverband Gesamtmetall. Zahmer reagiert da schon die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände: Wegen der geltenden Arbeitszeit- und Arbeitsschutzgesetze müsse „kein Arbeitnehmer rund um die Uhr erreichbar sein“. Dies gelte auch für die Beantwortung von Mails. Ein Pressesprecher des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall formuliert ebenfalls eher vorsichtig: „Eine Regelung, wie man verantwortungsvoll mit der Erreichbarkeit umgeht, kann sinnvoll sein.“ Nach seiner Ansicht sollte das auf betrieblicher Ebene geregelt werden.

Bei Daimler hilft die Abwesenheitsnotiz

Solche Regelungen gibt es bei vielen Unternehmen. Bei Daimler wurde 2014 eine Betriebsvereinbarung zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie geschlossen. „Mail on Holiday“ sieht vor, den Posteingang jedes Einzelnen während des Urlaubs zu entlasten und Mitarbeitern die Möglichkeit geben, eingehende Mails während des Urlaubs zu löschen. Per Abwesenheitsnotiz kann auf einen zuständigen Stellvertreter verwiesen werden. „Das wird durchaus genutzt“, sagt ein Sprecher. Wie viele Mitarbeiter aber davon Gebrauch machten, werde nicht gemessen. Auch bei BMW gibt es nach Unternehmensangaben ein „Recht auf Nichterreichbarkeit nach Feierabend, im Urlaub und am Wochenende“. Der Mailserver werde aber nicht blockiert.

Die IG Metall im Land findet Vereinbarungen auf betrieblicher Ebene gut und strebt keine allgemeine Regelung an. „Wir geben da nichts vor“, sagt eine Sprecherin. Grundsätzlich verweist sie auf das Recht auf Nichterreichbarkeit für alle Beschäftigte und stellt fest, dass der Leistungsdruck zunehme. Doch auch die Gewerkschaft kann die Argumentation von Wirtschaftsexperten nachvollziehen. Viele Unternehmen seien weltweit tätig und bräuchten schnelle Antworten, sagen diese – generelle Verbote wären kaum praktikabel. Einem Chinesen etwa sei es kaum erklärbar zu machen, dass seine um 19.05 Uhr geschickte Mail gelöscht werde und er am nächsten Tag bzw. nach Ortszeit zu später Stunde eine neue schicken solle. Dazu kommen die von der Digitalisierung getriebenen Veränderungen in der Arbeitswelt. Wer etwa im Home Office arbeitet, teilt sich seine Arbeitszeit vielleicht anders ein, macht zwischendurch private Dinge und setzt sich abends wieder an den Computer. Laut einer Emnid-Umfrage sind 70 Prozent der Befragten generell auch außerhalb der Arbeitszeit telefonisch oder per Mail erreichbar – viele aus eigenem Antrieb. Nur zwei Prozent erklärten, dass der Arbeitgeber das erwarte. Und 89 Prozent der befragten Arbeitnehmer werden nach eigenen Angaben maximal einmal im Monat tatsächlich vom Vorgesetzten kontaktiert.

Hücks Forderungen gelten nicht für Führungskräfte

Die Aufregung um seine Äußerungen sind für Hück wohl nicht gänzlich nachvollziehbar. Seine Forderungen zielten nur auf tariflich bezahlte Beschäftigte ab, nicht auf außertarifliche Mitarbeiter wie Führungskräfte, sagt er: „Wer als Manager einen hohen Bonus bekommt, der kann auch abends noch eine Mail beantworten.“ Ausnahmen solle es außerdem etwa für die Spätschicht und für Mitarbeiter geben, die viel mit Ländern in anderen Zeitzonen zu tun haben, etwa im Vertrieb.

Im Übrigen ist Hück aber im Recht. „Er hilft den Arbeitgebern sogar“, sagt Thorsten Walther, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Nürnberg. „Vielen Unternehmen drohen Bußgeldzahlungen, weil sie durch Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz Ordnungswidrigkeiten begehen“, erklärt er. „Der Porsche-Betriebsratschef weist auf etwas hin, um das sich eigentlich der Arbeitgeber kümmern müsste.“ Rein rechtlich dürften Arbeitnehmer täglich nur acht Stunden, in Ausnahmefällen zehn Stunden, arbeiten und müssten eine elfstündige Ruhezeit einhalten. Wer also abends um elf noch eine Mail schreibe, dürfe eigentlich am nächsten Tag nicht vor zehn Uhr wieder arbeiten. Ob das allerdings noch zeitgemäß sei, das sei eine andere Frage, meint Walther. „Aber Hück hat da etwas angestoßen.“