Die Bundesregierung hat sich auf ein Konzept für Diesel-Fahrzeuge geeinigt. Wie wirkt sich das auf Stuttgart aus? Gibt es trotzdem Fahrverbote? Was können Diesel-Besitzer machen? Wie reagiert die Politik? Wir geben erste Antworten auf diese Fragen.

Stuttgart - Nach langen Beratungen hat die Bundesregierung ein Diesel-Konzept beschlossen. Zwar ist noch offen, wie die Automobilhersteller konkret darauf reagieren, dennoch wird die Entscheidung vielfach begrüßt. Wir haben Reaktionen gesammelt und beantworten auf dem aktuellen Stand die wichtigsten Fragen für Autofahrer in und um Stuttgart.

 

Was bedeutet das Konzept für Stuttgart und die Region?

Da Stuttgart eine der 14 besonders betroffenen Städte mit hohen Grenzwertüberschreitungen ist, können Stuttgarter Dieselbesitzer die Kaufanreizen und kostenlosen Nachrüstungen nutzen. Auch Reutlingen, Backnang und Ludwigsburg gehören zu dem Kreis der Städte. Einbezogen werden aber auch Bewohner der angrenzenden Kreise und „außerhalb dieser Gebiete wohnhafte Fahrzeughalter, die ein Beschäftigungsverhältnis in der Stadt haben“. Das gilt auch für Selbstständige, die ihren Firmensitz in der jeweiligen Stadt haben. Außerdem ist in dem Konzept von Härtefällen die Rede ohne konkretere Angaben. In Stuttgart gibt es rund 28 000 Diesel-Autos bis einschließlich Euro-Norm 4, in den Kreisen der Region nochmals rund 190 000. Diesel der Euro-Norm 5 gibt es in Stuttgart rund 31 000, in den Kreisen der Region dazu rund 150 000.

Was sagt der Oberbürgermeister?

Fritz Kuhn (Grüne) ist „froh, dass endlich Bewegung in die Debatte um ältere Diesel-Fahrzeuge kommt. Schließlich geht es um das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf saubere Luft.“ Vieles in dem Konzept der Bundesregierung müsse noch konkretisiert werden, vor allem, welche genauen Verpflichtungen die Automobilindustrie habe, zum Beispiel in Sachen Nachrüstungen. „Aber ich erkenne positive Entwicklungen, etwa bei der Förderung von Nachrüstungen bei Kommunalfahrzeugen oder für Handwerker- und Lieferfahrzeuge – auch wenn das fast ausschließlich zulasten der Steuerzahler geht“, sagt Kuhn: „Nun liegt der Ball bei der Automobilindustrie. Wenn Verkehrsbeschränkungen für Euro-5-Diesel verhindert werden sollen, muss sie sich bei der Nachrüstung jetzt sputen.“

Was sagt die KfZ-Innung Stuttgart?

„Bis jetzt sind das zwar nur Ankündigungen, aber wenn Euro-4- und Euro-5-Diesel umgetauscht und nachgerüstet werden“, erwartet Obermeister Torsten Treiber klare Verbesserungen am Neckartor. Deshalb wäre aus Sicht der Innung logisch, wenn der Luftreinhalteplan frühestens 2020 in Kraft gesetzt würde. „Wir brauchen 2019, um rechtliche Regelungen zu schaffen“, sagt Treiber. Die Innung werde diese Position auch in der momentan laufenden Anhörung zum Luftreinhalteplan einbringen. Ansonsten begrüßt die Innung, die durch Tauschprämien gepante Flottenerneuerung. „Sie ist der Schlüssel zur Luftreinhaltung“, so Treiber. Auch die Hardware-Nachrüstung sieht sie positiv. „Nun steht Verkehrsminister Hermann imn Wort, dass nachgerüstete Euro-5-Diesel auf Dauer nicht von einem Fahrverbot betroffen sein sollen“, sagt Treiber. Untersüttzung erhält er vom Verband des Kranffahrzeuggewerbes, das ebenfalls fordert, das Fahrverbot in Stuttgart auf Eis zu legen. „Es macht keinen Sinn, Pendlern mit Euro-4-Diesel auszusperren, wenn denen keinen Zeit bleibt, die Umstiegs- und Nachsrüstungsprogramme zu nutzen“, sagt Hauzptgeschäftsführer Carsten Beuß. Er kündigt wie Treiber an, dass Kfz-Betriebe alle rechtlichen Möglichkeiten gegen den Luftreinhalteplan ausschöpfen werden.

Was ist mit den Fahrverboten?

Welche Auswirkungen das Diesel-Konzept auf den Luftreinhalteplan hat, ist trotz dieser Forderungen offen. Darin sind neben anderen Maßnahmen auch Fahrverbote für Diesel bis einschließlich Euro-Norm 4 vom 1. Januar 2019 an in der gesamten Umweltzone Stuttgart vorgesehen, für Stuttgarter Autobesitzer vom 1. April 2019 an. Über Fahrverbote für Euro-5-Diesel macht der Luftreinhalteplan keine Aussagen. Darüber will die Landesregierung erst auf Grundlage der Entwicklung der Stockstoffdioxidwerte im kommenden Jahr entscheiden. Das hat auf Antrag der Deutschen Umwelthilfe das Verwaltungsgericht Stuttgart bemängelt und eine konkrete Aussage zum Beginn der Euro-5-Dieselfahrverbote gefordert. Nachdem das Land dagegen wiederum Beschwerde eingelegt hat, entscheidet in den nächsten Wochen der Verwaltungsgerichtshof als nächsthöhere Instanz. Laut dem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts sind Fahrverbote für Euro-5-Diesel frühestens zum 1. September 2019 möglich. Die zum 1. Januar vorgesehenen Maßnahmen müssten wahrscheinlich gehalten werden, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich da groß etwas ändert.“ Allerdings hofft Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), dass die Zahl der betroffenen Euro-4-Diesel rapide abnehmen wird, wenn die vom Bund geplante Umtauschprämie greift. Nach wie vor offen ist, ob es in Stuttgart später Fahrverbote für Diesel der Euronorm 5 geben wird. Dies werde man im ersten Halbjahr 2019 prüfen, sagte Hermann. Die Politik setzt darauf, dass mit dem Diesel-Konzept Euro-5-Fahrverbote vermieden werden.

Was ist neu?

Künftig sollen Autos der Schadstoffklassen 4 und 5 in die Fahrverbotszonen fahren dürfen, wenn sie weniger als 270 Milligramm Stickoxid pro Kilometer ausstoßen. Bisher liegen die Grenzwerte bei 180 (Euro 5) und 250 Milligramm (Euro 4). Im Fahrbetrieb stoßen viele Autos weitaus mehr aus. „Der Ansatz, unabhängig von der Abgasnorm, einen Grenzwert festzulegen, ist sinnvoll“, meinte dazu Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Hier sei nun eine einheitliche Regelung dringend erforderlich, die der Bund zeitnah schaffen müsse, so die Ministerin.

Wie können Diesel-Fahrer reagieren?

Wer einen Euro-4-Diesel besitzt, kann auf eine Prämie hoffen, wenn er das Fahrzeug gegen ein neues oder gebrauchtes Auto eintauscht. Wie hoch die Prämien sind, wie und ob sich nicht nur in-, sondern auch ausländische Hersteller daran beteiligen, ist noch offen. Besitzer von Euro-5-Diesel können, wenn sie die Prämie oder den Rabatt nicht annehmen, zusätzliche Abgastechnik einbauen lassen, die den Schadstoffausstoß senkt. Die Kosten dafür sollen die Hersteller übernehmen, die Haftung liege bei den Nachrüstfirmen, so die Bundesregierung. Konkretisiert ist das aber noch nicht.

Gibt es staatliche Unterstützung?

Für Privatleute ist das nicht vorgesehen. Handwerker und Lieferanten können aber 80 Prozent der Kosten für eine Nachrüstung ihrer Fahrzeuge vom Staat ersetzt bekommen. Außerdem soll die Nachrüstung der kommunalen Fahrzeuge gefördert werden.

Was ist mit Kontrollen?

Um die Fahrverbotszonen zu organisieren und kontrollieren zu können, will der Bund einheitliche Rechtsregeln schaffen. Dafür sollen Behörden auf das Zentrale Fahrzeugregister zurückgreifen können, um anhand des Kfz-Kennzeichens zu überprüfen, ob für das Fahrzeug ein Fahrverbot gilt. Eine besondere Kennzeichnung, etwa mit einer blauen Plakette, soll es nicht geben.

Was sagen weitere Stimmen?

Die Deutsche Umwelthilfe kritisiert das Konzept. Sie fordert, dass betroffene Autobesitzer ihre vom Dieselbetrug betroffenen Fahrzeuge für den Kaufpreis oder einen um 20 Prozent erhöhten Zeitwert zurückgeben können. Da sowohl die Umtauschprämie als auch die Nachrüstung in Details nicht geklärt ist, rät die DUH davon ab, Euro-6-Diesel-Pkw zu kaufen, da viele dieser Fahrzeuge illegale Abschalteinrichtungen hätten und die Grenzwerte auf der Straße deutlich überschreiten würden. Es bestehe deshalb die Gefahr, dass solche Fahrzeuge ab Herbst 2020 unter ein Fahrverbot fallen könnten. Dagegen begrüßte die Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut das Konzept. Sie gehe nun davon aus, dass es in Stuttgart möglich werde, Fahrverbote für Euro-5-Diesel zu verhindern. Die Ministerin lobte vor allem das Nachrüstprogramm für Handwerk- und Lieferfahrzeuge. „Die Kostenübernahme von 80 Prozent ist ein faires Angebot“, sagte sie. Die Umtauschprämie werde zur Flottenerneuerung beitragen, was wesentlich zur Verbesserung der Luftqualität beitrage. Für jüngere Euro-5-Diesel sei die Hardwarenachrüstung eine wirksame Methode, die Bundesregierung müsse sich nun rasch mit der Autoindustrie auf eine pragmatische Lösung verständigen. Auch ihr Parteifreund Wolfgang Reinhart, CDU-Fraktionschef im Landtag, forderte, dass „die Beschlüsse schnell und rechtssicher umgesetzt werden“. Er gehe davon aus, dass dann Fahrverbote für Euro-5-Diesel vermieden werden könnten. Noch weiter geht der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion Jochen Haußmann: „Spätestens mit dem heutigen Tag ist es offenkundig, dass die von Verkehrsminister Hermann angestrebten Fahrverbote ab 1. Januar 2019 für ganz Stuttgart nicht verhältnismäßig sind. Es gilt, zunächst die positiven Wirkungen dieser umfangreichen Maßnahmen abzuwarten, bevor die Fahrverbotskeule geschwungen wird.“