OB Fritz Kuhn (Grüne) hat ein Konzept vorgelegt, das die Armutsprostitution in Stuttgart eindämmen soll. Das Leonhardsviertel soll auch städtebaulich aufgewertet werden.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart -

 

Kurz vor Weihnachten setzt der grüne Oberbürgermeister alles daran, seine Hausaufgaben zu erledigen: Vergangene Woche hatte Fritz Kuhn ein neues Energiekonzept vorgelegt, am Donnerstag nun präsentierte er ein Papier, um das Leonhardsviertel, eines der ältesten und schönsten Quartiere Stuttgarts, aufzuwerten. Die Probleme mit der Armutsprostitution, dem Verfall vieler Häuser und dem Müll machen dort schon seit vielen Jahren erheblich Ärger. Dies sind die wichtigsten Punkte des Konzepts.

Weitere Bordelle verbieten

Maßnahme 1: Weitere Bordelle schließen

Viele Bordelle im Leonhardsviertel haben keine Genehmigung – sie sind illegal. Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) will deshalb die Zahl der Bordelle von derzeit 14 „mindestens halbieren“. Die restlichen sollten in ihrer äußeren Erscheinung zumindest dezenter werden, sagte Hahn. Sechs illegale Betriebe konnten in den vergangenen Jahren geschlossen werden.

Mit fünf weiteren befindet sich die Stadt in rechtlichen Auseinandersetzungen – diese würden aber von den Anwälten der Betreiber durch „hochlistige Ausweichbewegungen“, so Matthias Hahn, immer weiter verzögert. Da will die Stadt nun konsequent alle Möglichkeiten ausschöpfen, vor allem über den Sofortvollzug von Anordnungen. Das Baurechtsamt prüfe daneben die Einhaltung des Brandschutzes. OB Fritz Kuhn betonte, es gehe nicht um die Abschaffung der Prostitution im Leonhardsviertel: „Aber ich bin nicht bereit, rechtsfreie Räume zuzulassen. Wir wollen die schlimmsten Exzesse eindämmen.“

Polizeikontrollen erhöhen

Maßnahme 2: Mehr Kontrollen der Polizei

Die Stuttgarter Polizei sieht sich schon heute auf einem guten Weg, was die Bekämpfung der illegalen Prostitution angeht: Es sei bundesweit einmalig, dass es eine eigene Dienststelle für die Prostitution in einem Viertel gebe, die rund um die Uhr besetzt sei, so Polizeipräsident Franz Lutz. 17 Beamte kontrollieren von der Wache Christophstraße aus das Viertel. Allerdings räumte Lutz ein, dass die vielen Platzverweise wegen des illegalen Straßenstrichs (7515-mal gegen Prostituierte, 1861-mal gegen Freier im Jahr 2013) die Straßenprostitution nicht verhindern könnten, zumal die Frauen sehr häufig wechselten.

Er betonte auch, dass die Polizei nicht in der Lage sei, mehr Personal einzusetzen. Aber die Stadt hat die Bußgelder für Prostituierte und Freier erhöht – beim ersten Verstoß werden 180 Euro fällig. Zudem würden die Daten der Freier nun gespeichert. Und: Polizei und Stadt wollen jede Woche Schwerpunktkontrollen machen.

Viertel städtebaulich aufwerten

Maßnahme 3: Viertel städtebaulich aufwerten

Fritz Kuhn kündigte an, die Immobilienpolitik im Leonhards- und auch im Bohnenviertel neu auszurichten. Während bis 2011 städtischer Streubesitz gerne veräußert wurde, will Stuttgart in der Altstadt nun wieder verstärkt als Käufer auftreten. So sollen Wohnen und milieufremde Gaststätten gestärkt werden. Ein erster Schritt sei eine neue Beleuchtung im Viertel; das Konzept dafür ist schon lange fertig. Da der Gemeinderat die Ausgaben aber im nächsten Etat absegnen muss, können die Lampen frühestens 2016 installiert werden. Eine große Bedeutung habe zudem die Neubebauung des Züblin-Areals, das aber erst 2023 frei werde, sagte Matthias Hahn.

Prostituierten helfen

Maßnahme 4: Prostituierten helfen

Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) stellte die medizinischen und sozialen Angebote für weibliche und männliche Prostituierte vor. Man stehe im bundesweiten Vergleich gut da. Von einer Ausweitung des Angebotes war am Donnerstag aber nicht die Rede. Allerdings soll eine Agentur eine Kampagne für Freier entwerfen – diesen soll klargemacht werden, dass sie Verantwortung tragen, wenn sie sich mit Frauen einlassen, die nicht volljährig sind oder die zur Prostitution gezwungen werden.

Fezer machte im Übrigen aus ihrem Herzen keine Mördergrube: Prostitution sei „bezahlter sexueller Missbrauch“ und gehöre ganz verboten. So weit geht das Konzept Kuhns aber nicht. Da klang an, dass die beteiligten Referate sich nicht immer darüber einig waren, welcher Weg zu gehen sei. Diese Diskussionen sind wohl auch ein Grund dafür gewesen, weshalb das Konzept lange auf sich warten ließ.

Veronika Kienzle, die grüne Bezirksvorsteherin, zeigte sich in einer ersten Reaktion sehr erfreut über das Konzept. „Nach zehn Jahren harter Auseinandersetzungen habe ich nun das erste Mal den Eindruck, dass ein Aufbruch da ist“, sagte sie. Sie betonte, dass Bürger und Bezirksbeirat viele jener Punkte, die jetzt im Konzept stehen, schon lange gefordert hätten. „Das ist deshalb ein gutes Beispiel, wie Bürgerbeteiligung gelingen kann“, so Veronika Kienzle.