Stuttgart will den Neckar verschönern. Am Wasenufer soll eine Promenade entstehen, bei Münster wollen die Planer ein Wasserbiotop anlegen. Und es gibt noch mehr Ideen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Vor 200 Jahren floss der Neckar noch, wie es ihm gefiel, an Cannstatt vorbei – es gab Inseln, Seitenarme und Auenwälder, wie sie heute in Mitteleuropa fast nur noch an der Loire zu bewundern sind. Heute dagegen ist der Neckar eigentlich nur noch ein Kanal – gerade auf Stuttgarter Markung wird er häufig von steilen Betonmauern begrenzt, ist bis ans Ufer mit Industriebauten zubetoniert und wird von Schleusen und Wehren aufgestaut. Seit zwei Jahrzehnten bemühen sich aber Stadtplaner wie Bürger, den Neckar wieder erlebbarer zu machen und Biotope für Vögel und Fische zu schaffen. Einige Erfolge, wie den Neckarauenpark mit seinem Spielschiff, kann die Stadt vorweisen; doch häufig scheiterten die Versuche am Geld und am fehlenden politischen Willen.

 

Jetzt aber unternimmt Stuttgart einen neuen Anlauf , in den nicht nur Hermann-Lambert Oediger vom Stadtplanungsamt große Hoffnungen setzt. Oediger hat mit seinen Mitarbeitern Hermann Degen und Wolfgang Maier 17 Projekte zwischen Wangen und Mühlhausen entwickelt, die in den nächsten Jahren und Jahrzehnten Wirklichkeit werden könnten. Einige sind vage Visionen, einige dürften vorerst an Grundstücksfragen scheitern. Aber einige kleinere Vorhaben sind auch bereits in der Umsetzung, und für zwei große Projekte hat der Gemeinderat im Herbst bei den Etatberatungen 314 000 Euro an Planungsmitteln bewilligt. Heute Abend um 18.30 Uhr Am Montag werden die neuen Pläne in einer gemeinsamen Sitzung der Bezirksbeiräte aller Neckaranrainer im Rathaus in Bad Cannstatt den Lokalpolitikern und der Öffentlichkeit vorgestellt.

Ein Café mit Neckarblick?

Erste Priorität hat für die Stadtplaner das Wasenufer. Dort könnte zwischen der König-Karl-Brücke und dem Campingplatz ein zwar schmaler, aber 500 Meter langer Park entstehen. Dem Wasen müsste dafür in bescheidenem Umfang Fläche abgeknapst werden. Doch dann könnte das Ufer in eine Promenade verwandelt werden, der ziemlich heruntergekommene Anlegesteg für Kreuzfahrtschiffe würde modernisiert, der Berger Steg soll behindertengerecht umgebaut werden, und neben dem Campingplatz könnte eine Ufertreppe samt Café entstehen – sowie womöglich sogar ein weiterer Steg hinüber ans Neckarufer.

Etwa 4,5 Millionen Euro würde dieser Umbau kosten. Zumindest das Geld, um die Planungen bis zur Baureife voranzutreiben, steht dem Amt zur Verfügung. Dann liegt es an den Stadträten, ob sie bei den Etatberatungen 2013 Nägel mit Köpfen machen wollen und Mittel für die Realisierung geben. Der gleiche Sachstand gilt für das zweite große Projekt, das möglichst schnell angegangen werden soll: die Naturoase Auwiesen zwischen Münster und Max-Eyth-See.

Aus Wiesen könnten Wasserflächen werden

Die etwa zwei Hektar große Wiese an den Wagrainäckern soll umgewandelt werden in eine Wasserfläche mit Schilfbereichen und kleinen Inseln. Fische sollen dort laichen können, Vögel und Amphibien finden ein Rückzugsgebiet. „Wir wollen einen Anklang an den früheren Lebensraum der Auwälder schaffen“, sagt Wolfgang Maier. Während beim Wasen-Projekt der Mensch im Vordergrund steht, sind es in den Wagrainäckern die Tiere. 2,65 Millionen Euro müssten investiert werden.

Viele kleine Projekte längs des Neckars

Für ein weiteres Projekt gibt es zumindest das Geld, um ein wichtiges Gutachten anzustoßen: Die unschöne hohe Ufermauer gegenüber der Altstadt von Bad Cannstatt, die sogenannte Rilling-Mauer, könnte theoretisch umgestaltet werden. Doch der Bereich ist besonders sensibel, weil Mineralwasser im Untergrund liegt. Für 55 000 Euro wird jetzt ein Gutachten erarbeitet, inwieweit Eingriffe in den Uferbereich überhaupt möglich sind. Die Umsetzung selbst wird aber noch dauern.

Und auch die weiteren Vorhaben sind noch Zukunftsmusik. So könnten sich die Planer an der Auwiesenstraße unterhalb des Schnarrenbergs einen Uferpark mit Kiesstrand, Stegen und einer Promenade vorstellen. Es wäre zudem denkbar, die steilen Hänge und den Steinbruch mit einer Aussichtsplattform oder einem Baumwipfelpfad zu erschließen. Auch das Wilhelma-Ufer soll besser zugänglich werden. „Aber bevor der Rosensteintunnel und die neue Stuttgart-21-Brücke nicht fertig sind, kann dort nichts geschehen“, sagt Hermann-Lambert Oediger.

An einigen Stellen passiert schon heute einiges im Kleinen

Viel Charme hätte auch die Öffnung des Sicherheitshafens unterhalb vom Muckensturm. Dort träumen die Planer auf der Halbinsel von einem Biergarten und einer Ufertreppe, die im Sommer sicher viele Ausflügler anlocken würden. Es liegen dort aber Gebäude des Wasser- und Schifffahrtsamtes, das selbst Neubaupläne bewegt – solange über die nicht entschieden ist, kann die Halbinsel für die Menschen nicht erschlossen werden.

Zumindest an einigen Stellen passiert aber schon heute im Kleinen einiges. So wurden am Ailenberg Bäume gerodet und alte Trockenmauern repariert, um ein Stück typischer Wengertlandschaft am Neckar zu erhalten. Oder am Wangener Osthang werden derzeit alte und teilweise zugewachsene Wege und Staffeln wiederhergestellt. Man sieht daran, dass die Stadtplaner nicht nur die direkten Ufer, sondern auch das natürliche Umfeld im Blick haben. Auch die Renaturierung des Feuerbaches gehört deshalb für die Stadt Stuttgart zum Neckarkonzept.

Die Umsetzung aller 17 Projekte würde rund 40 Millionen Euro kosten – wovon allein die Hälfte die noch in weiter Ferne liegende Überdecklung der B 10 am Leuze verschlingen würde. Und auch wenn zahlreiche Fördermittel bei der Europäischen Union, dem Bund oder dem Verband Region Stuttgart angezapft werden könnten, bleibt das insgesamt viel Geld. Schon deshalb wird nicht alles auf einmal gehen, und vermutlich wird das eine oder andere nie über eine Skizze hinauskommen. Am Neckar gilt es also auch in Zukunft dicke Bretter zu bohren.

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