Harmonisch sicher, motivisch fantasievoll, spielerisch flüssig: Der gemeinsame Auftritt von SWR Symphonieorchester und Band in the Bix in Stuttgart begeistert das Publikum.

Bei Crossover-Projekten besteht die Gefahr, dass die Genres zu einem Einheitsbrei verrührt werden. Um ihr zu begegnen, setzen der klassische Pianist Frank Dupree und Meinhard „Obi“ Jenne beim aktuellen Projekt „Focus“ auf das Prinzip Gleichzeitigkeit. „Wir mischen nicht, wir spielen gleichzeitig Klassik und Jazz“, sagt Jenne, der starke Mann am Drumset.

 

Um alle Musizierenden im ausverkauften Bix unterzubringen, wurde die Bühne erweitert. Die drei Jazzer Obi Jenne, Kontrabassist Mini Schulz, Holzbläser Libor Šima und Frank Dupree am hauseigenen Flügel dürfen samt einer Harfinistin oben bleiben, die acht Streicherinnen und Streicher agieren ebenerdig. Die da unten möchten den Raum nicht mit süßlicher Hintergrundmusik parfümieren, sondern als ebenbürtiger Klangkörper auftreten und für „Kontinuität von Idee und Form“ sorgen.

Komponiert war Sauters „Focus“ für ein klassisches Orchester

So wollte es Eddie Sauter, der 1961 „Focus“ für ein klassisches Orchester komponiert hatte. Dieses Werk mit seinen sieben Sätzen sei wie ein Märchenbuch von Andersen, schrieb Sauter. Uns kam es eher vor wie Filmmusik aus den späten 1950er Jahren, einer wunderbaren Hoch-Zeit des Jazz. Das Tenorsaxofon damals spielte Stan Getz, der formidable Bossa-Nova-Musiker, den sie schlicht „The Sound“ nannten. Dessen Part übernimmt in Stuttgart Libor Šima, Sohn eines Kapellmeisters aus Schwäbisch Hall. Šima junior ist dafür prädestiniert, denn er spielt im Radio-Sinfonieorchester Stuttgart das Fagott und brilliert in Jazzbands auf dem Saxofon. Sauter, einst von Joachim-Ernst Berendt für drei Jahre zum SWF nach Baden-Baden geholt, wäre von der Qualität der deutschen Musiker begeistert gewesen. Im Vergleich zum Original-Album nämlich klingen die neun hoch motivierten Musikerinnen und Musiker nicht schwammig, sondern klar wie Quellwasser.

Das Publikum feiert ausgelassen

Dupree dirigiert tänzerisch und souverän, und Šima füllt locker und wohlklingend den Part von Stan Getz aus. Harmonisch sicher, motivisch fantasievoll, spielerisch flüssig. Sehr schön. Sei es bei „Her“, das Getz im Andenken an seine verstorbene Mutter interpretiert hatte, sei es beim vorwärtstreibenden Satz „Night Rider“ oder auch bei „I’m late, I’m late“, das an Sauters befreundeten Kollegen Béla Bartók erinnert.

So ein Konzert, bei dem zwischen Jazz und Klassik Funken stieben und das bei zärtlichen Balladen Sinnlichkeit verströmt, hat das Bix noch nicht erlebt. Nicht erst bei den Zugaben „Caravan“ und „As Time Goes By“ herrscht ausgelassene Freude im Club.