Die britische Indierockband The Wedding Present ist am Dienstag in Schorndorf aufgetreten und hat das 35-Jahr-Jubiläum des Albums „Bizarro“ gefeiert: Kritik und Setlist vom Konzert in der Manufaktur.

Freizeit & Unterhaltung : Gunther Reinhardt (gun)

Wer Wedding Present sagt, muss auch John Peel sagen. „Dieser Junge namens Gedge hat einige der besten Liebeslieder des Rock’n’Roll-Zeitalters geschrieben“, behauptete der Radiomoderator, der so etwas wie der Papst des Indierock war, einst: „Sie mögen anderer Meinung sein, aber ich habe recht, und Sie haben unrecht.“

 

Frustriert-wütende Lovesongs

Dass viel zu wenige Menschen bisher zur Kenntnis genommen haben, wie großartig die Lovesongs von David Gedge sind, könnte auch daran liegen, dass die Lieder, die er für seine Band The Wedding Present schreibt, nicht wirklich wie Lovesongs klingen. Zum Beispiel die Nummer „Brassneck“, die beim Konzert am Dienstag in der Manufaktur in Schorndorf der achte Song des Abends ist: ein verbittert herumtobender Breakup-Song („I just decided I don’t trust you anymore“), in dem Gedge das Kunststück gelingt, zwischen Frust und Wut Hoffnung hervorschimmern zu lassen. Doch um das zu bemerken, muss man schon sehr genau hinhören und sich durch dieses wunderbare Gestrüpp aus Gitarren wühlen, dass Gedge rabiat-empfindsam auf der Bühne zusammen mit Rachael Wood entstehen lässt.

Alle zwölf „Bizarro“-Stücke hintereinander

„Brassneck“ ist der Eröffnungstrack des Albums „Bizarro“, das 1989 erschien und die beste Platte der Band aus Leeds ist. Nachdem sich Gedge in Schorndorf mit Wood, Bassist Paul Blackburn und Drummer Vincenzo Lammi mit Klassikern wie „A Million Miles“ vom Debüt „George Best“ (1987) oder der „Seamonsters“-Nummer „Delliance“ (1991) und neuen Stücken wie dem schrulligen Walzer „Scream, If You Want To Go Faster“ aufgewärmt hat, spielen The Wedding Present zum 35-Jahr-Jubiläum von „Bizarro“ sämtliche Nummern des Albums in der Reihenfolge, in der sie auch auf der Platte zu hören sind. Als letztes der zwölf Stücke ist „Be Honest“ dran, bei dem Gedge prompt ehrlich ist und zugibt, dass er den Song nicht besonders mag: „Auf der Platte funktioniert der gut, aber live nicht so richtig.“

Das seltsamste aller Liebeslieder

Gut gelingt dieses etwa spröde Stück an diesem Abend trotzdem. Allerdings nicht so gut, wie zuvor „Kennedy“, der größte Hit von Wedding Present. Dieser ist vielleicht das seltsamste aller Liebeslieder der Band: ein kryptischer Abgesang auf den amerikanischen Traum („Too much apple pie“) und eine Auseinandersetzung mit der Ermordung J. F. Kennedys mit dem kuriosen Twist, dass Lee Harvey Oswald zu einer Art Vermittler für eine neue fragwürdige Lovestory wird: „And now Ari’s walked away with Johnny’s wife!“ Gemeint sind Aristoteles Onassis und Jackie Kennedy.

Mitreißende Version von „Kennedy

Der Song steigert sich in Schorndorf in ein so mitreißendes Finale, dass selbst Gedge erstaunt ist: „Das war intensiv“, sagt er hinterher: „Ich habe den Song schon so oft gespielt, aber ich glaube so gut wie heute haben wir ihn selten hingekriegt.“

Tatsächlich ist „Kennedy“ allerdings bei jeder Show ein Ereignis. Zum Beispiel vor fünf Jahren, als die Band das 30-Jahr-Jubiläum von „Bizarro“ feierte, und Fans noch nach Berlin fahren mussten, um The Wedding Present live zu sehen. Damals waren Gedges Haare noch nicht weiß, und live wurde er von einer komplett anderen Band begleitet. Diese Lovesongs der etwas anderen Art waren dröhnten einem aber genauso grandios in den Ohren wie jetzt am Dienstagabend in Schorndorf.

The Wedding Present: Setlist in Schorndorf

  • Drive
  • A Million Miles
  • Don’t Talk, Just Kiss
  • Scream, If You Want To Go Faster
  • Dalliance
  • This is The Girl
  • Come Play With Me
  • Brassneck
  • Crushed
  • No
  • Thanks
  • Kennedy
  • What Have I Said Now?
  • Granadaland
  • Bewitched
  • Take Me!
  • Be Honest
  • My Favourite Dress
  • Crawl