Die US-amerikanische Avantgardemusikerin Julia Holter hat in der Schorndorfer Makufaktur gespielt. Ein toll instrumentiertes Fest der Stimme.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Schorndorf - Zu einem der beiden mit Abstand ambitioniertesten Popularmusikkonzerte des Monats in der Region Stuttgart hat am Montagabend, unmittelbar nach dem Gastspiel von King Crimson, die Schorndorfer Manufaktur geladen. Auf der Bühne stand die US-amerikanische Sängerin und Keyboarderin Julia Holter, die sich begleiten ließ von einem Drummer, einer Geigerin, einem Kontrabassisten, einer Trompeterin und Flügelhornistin sowie einem Synthesizerspieler, der segensreicherweise nur in homöopathischen Dosen auch zum in der Popmusik nicht grundlos unbeliebten und dementsprechend sehr selten zu hörenden Dudelsack griff.

 

Ein sehr spannendes instrumentales Setting also, das sowohl in den fein ziselierten solistischen Parts wie auch im elegant zwischen sanften Passagen und Wucht changierenden Ensembleklang beträchtliche Sogkraft entwickelt – bei wie von der Manufaktur gewohnt hervorragendem Sound. Mal tönt das Ganze höchst sonor, fast schon die Melodik eines pulsierenden Indiesongs entwickelnd, mal ist es nur einen Wimpernschlag von der Kakofonie entfernt, mal im Tempo fast zum Stillstand reduziert. Einerseits Hörkonzentration fordernd, andererseits zum Darin-Versinken einladend ist dieses Klangbad, auf jeden Fall stets interessant und immer wieder überraschende Wendungen aufwerfend.

Julia Holter wirkt dazu stellenweise ziemlich weltentrückt, tief in ihre Performance vertieft und im Gesangsduktus zugleich außerordentlich expressiv. Einen Punkt irgendwo am Saalhimmel fixierend, barmt, schmettert, jubiliert, wispert sie und bedient die ganze Palette an vokalen Ausdrucksmöglichkeiten. Von der stimmlichen Kraft reicht sie zwar bisweilen nicht an die echten Meisterinnen heran, bisweilen wirkt ihr Gesang im Verhältnis zur Instrumentalbegleitung auch etwas überakzentuiert, dennoch ist dieser Auftritt auch ein Fest der Stimme. Julia Holter spielt nur drei Stücke ihres vorvorletzten Albums „Have you in my Wilderness“, ihres bisher öffentlichkeitswirksamsten, weil mit seinem Kunstpop auch zugänglichsten Werks, sowie ihre Barbara-Lewis-Coverversion „Hello Stranger“. Den Rest des Auftritts widmet sie ausnahmslos ihrem aktuellen Album „Aviary“, das sie fast zur Gänze vorstellt. Es ist ein Avantgardewerk, das durch Mut zum Eigensinn fordert. Es stemmt aber zugleich bravourös die Aufgabe, Ordnung in ein Chaos zu bringen.

Wie Julia Holter dies auch live umsetzt, hat ein wirklich sehr schönes Konzert gezeigt, dem man deutlich mehr Besucher gewünscht hätte. Die Gelegenheit wird es geben. Die Dame aus Los Angeles, die in ihren sehr menschelnden Ansagen regelrecht ins Schwärmen über die Manufaktur geraten ist („Der schönste Ort, auf dem ich bei der gesamten Tour aufgetreten bin“), hat versprochen, wiederzukommen.