Das britische Retropoptrio Kitty, Daisy & Lewis glänzt bei seinem Gastspiel im Wizemann.

Stuttgart - Der Nimbus der Geschwisterbands erlitt in den Neunzigern einige Dellen. Die Gallagher-Brüder führten Oasis zwar zu Unsterblichkeit, zeigten mit reichlich Pöbeleien, Prügeleien und einem ganzen Lexikon aus Schimpfwörtern aber zugleich die Schattenseiten geschwisterlicher Kollegialität.

 

Kitty, Daisy & Lewis kommen zwar auch aus England, könnten sich aber nicht stärker von den Gallaghers unterscheiden. Die Durham-Familie trinkt zwar auch ganz gern mal einen, glänzt lieber mit makellosem Ruf, tonnenweise Charme und einer wunderbaren Cuvée aus nostalgischem R‘n‘B, Rock‘n‘Roll und reichlich Soul. Auch im kleinen, fast vollen Club des Wizemann zeigen sie am Donnerstag, wie blind man sich als Band vertrauen kann.

Ohne Schnörkel erschallt „Slave“, eine treibende Nummer zwischen Rock und Funk, die es irgendwie schafft, die Halle sofort zu elektrisieren. Es gibt ja wirklich viele gute Livebands, die das Auditorium schnell für sich gewinnen können. Aber wie das Publikum aus Rockabillys, Alt-Rockern, Indie-Beutelträgern und Hippies in Windeseile vom Plapper- in den Tanzmodus wechselt und dort dauerhaft verweilt, ist beeindruckend.

Verneigung vor der Vergangenheit

Das liegt natürlich einerseits an dieser herrlich authentischen Verneigung vor den Großtaten der Fünfziger und Sechziger – aber vor allem an der Performance. Oft reichen nur kleine Gesten oder Blicke, um sich auf der Bühne zu verständigen, munter changiert das Geschwistertrio an Gesang, Piano, Schlagzeug und Gitarren. Es beginnt mit Daisy an den Drums, Kitty an Gitarre und Mikro (Mundharmonika inklusive) und Lewis am Piano, wechselt im Verlauf der achtzig Minuten aber so oft hin und her, dass man schon mal den Überblick verlieren kann, wenn man sich mal nur kurz ein Bier holt. Die große Zeit der Rock‘n‘Roll-Bands mag ja lang vorbei sein. Ihr Erbe und ihre Aura wirken aber in Bands wie Kitty, Daisy & Lewis bis heute fort.

Als Sänger wirkt der schlanke Lewis in weißem Hemd mit schwarzem Kragen wie aus den frühen Fernsehauftritten großer englischer Rock-Bürgerschrecke, er singt wie eine Mischung aus Little Richard und Mick Jagger. Seine Schwester Lewis mit Löwenmähne, Kleidchen und riesigem Mercedesstern um den Hals würde eine vortreffliche Punk-Ikone inklusive durchdringender Röhre abgeben, während Daisy, die älteste der Durhams, mit ihrer Stimme ordentlich Südstaaten-Soul auf den Tisch bringt. Gemeinsam trinken sie Bier, scherzen und singen in „You‘re so fine“, „Don‘t make a Fool out of me“ oder den Canned-Heat-Kracher „Going down the Country“ derart grandiose Harmonien, dass man sich instinktiv mehr Geschwisterliebe in der Rockmusik wünscht.

Überraschungsgäste im Hintergrund

Ehrensache ist schließlich, dass auch der Stuttgart-Tourneestopp der drei Geschwister in einigen Stücken von Eddie „Tan Tan“ Thorntons Trompetenspiel begleitet und vom Vater Graeme Durham unauffällig aus dem Hintergrund akzentuiert wird. Das ist eben wie bei einem Familienfest: Es gibt Anlässe, da kommen einfach alle zusammen. Nur dass bei Kitty, Daisy & Lewis der peinliche Onkel mit seinen schlechten Witzen fehlt.