Die amerikanische Alternativerockband Spoon hat in der Schorndorfer Manufaktur ihre Deutschlandtournee eröffnet.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Schorndorf - Amerika ist das Land der Hubraumfantasien, so gesehen ist es folgerichtig, dass am Donnerstagabend vor der Manufaktur ein großer Nightliner für die Entourage der US-Band und hinter der Manufaktur ein riesiger LKW für das Equipment parkt. Großes Besteck für ein Clubkonzert, aber die Musiker haben allerlei Keyboards und Synthesizer mitgebracht, der Roadie darf zahlreiche Gitarren anreichen, teilweise musiziert das Quintett gleich mit dreien von ihnen gleichzeitig. Die Bühne ist mithin gut gefüllt.

 

Gut gefüllt sind auch der Saal und die Empore. Die Manufaktur ist gerammelt ausverkauft, als das Konzert bereits um viertel vor zehn beginnt, dampft die Hütte – auch unwetterbedingt – aus allen Poren.

Zu Gast im schwäbischen Schorndorf ist die Band Spoon aus dem texanischen Austin, die sich offenbar einen breiten Liebhaberkreis erspielt hat. Aus einem Repertoire von neun Alben kann sie seit ihrer Gründung vor auch schon wieder 25 Jahren schöpfen,mit ihrem kleinen Indiehit „Girls can tell“ aus dem gleichnamigen Album erregten sie 2001 erste Aufmerksamkeit, mit dem im darauffolgenden Jahr veröffentlichten Nachfolger „Kill the Moonlight“ (den sie damals übrigens ebenfalls in der Manufaktur hierzulande vorstellten) bekamen sie dann schon ordentlich Publizität.

Das letzte Album war ein großer Wurf

Richtig gut im Geschäft sind sie jedoch seit ihrem im vergangenen März erschienenen Album „Hot Thoughts“. Und zwar völlig zu Recht. Es war eines der überragenden Werke des vergangenen Plattenjahrgangs, in nahezu jeder Liste der besten Alben des Jahres tauchte „Hot Thoughts“ auf, und zwar nicht auf den hinteren Rängen.

Üppig vorgestellt haben sie es 2017, insgesamt 125 Konzerte weist die Spoon-Tourstatistik für das vergangene Jahr aus, darunter auch jenen sehr feinen, aber – da auf einem Festival – leider viel zu kurzen beim Maifeld-Derby in Mannheim. 2018 folgt der Nachschlag, nach Auftritten in Nord- und Südamerika ist jetzt Europa dran. Leeds, Dublin und Paris standen in dieser Woche bereits auf dem Programm, auch das spricht für Spoons gutes internationales Renommee.

Los geht’s, wie bei der Band üblich, mit „Do I have to talk you into it“ vom aktuellen Album, aus dem kurz darauf auch der Titeltrack folgt. „Hot Thoughts“ ist ein fantastisch guter, so kluger wie energetischer Song, und auch wenn sich die Band im Konzert an dieser Stelle ein wenig verzettelt und den Song recht unvermittelt abbricht, entfaltet er einen wunderbaren Druck. Idealtypisch steht er ohnehin für alles, was diese Band auf dem letzten Album und auch in der Manufaktur auszeichnet, die als Auftakt der Deutschlandkonzerte auserkoren ist. Spoon spielen einen klassischen Rock, der sich gewitzt bei Rock’n’Roll, Indie und Alternative und überdies der Elektronik bedient, der aber weder vor karger Instrumentierung noch vor sanftem Overkill zurückschreckt. Und der vor allem durch sein raffiniertes, so anderswo selten zu hörendes Wechselspiel in Rhythmik und Metrik begeistert.

Keyboardrock, das geht auch unpeinlich

Toll anzuhören ist, wie Eric Harvey und Alex Fischel zwischen ihren Tasteninstrumenten und E-Gitarren hin- und herwechseln, überhaupt sind sie die beiden, die den Unterschied ausmachen. Sirrende, flirrende, verspielte, flächige Sounds zaubern sie aus den Tasten, ideal den Gitarrensound ergänzend oder auch das gesamte Gefüge prägend. Das bei klassischen Gitarrenrockformationen oft nur nervende Keyboard fügt sich bei Spoon als kongenialer Partner, es definiert den auch in Tempo und Harmonik einfallsreich changierenden Klang sehr progressiv. Spielt wie in einigen Songs des anderthalbstündigen Auftritts dieser ambitionierte Ansatz keine größere Rolle, läuft die Alternativeband Gefahr, zu sehr nach „ganz normalem“ Rock zu klingen. Der Grat ist bekanntlich und auch bei Spoon schmal – aber das wäre der einzige Punkt, den man (neben Rob Popes etwas verwaschenem Bassspiel) an diesem sehr hörenswerten Konzert bemäkeln könnte.

Ansonsten überzeugen bei mal wieder beachtlicher Manufaktur-Akustik auch Britt Daniels Singstimme und das sehr ausdifferenzierte Schlagzeugspiel von Jim Eno. Das Publikum ist, vom ersten Song an, sehr euphorisch und darf dies auch sein. „Ich weiß zwar, dass wir es hier mit Popmusik zu tun haben und dass wir nicht das Rad neu erfinden, aber ich will wenigstens das Gefühl haben, dass wir etwas tun, das zumindest für uns völlig neu ist“, heißt’s in einem wirklich treffenden Zitat von Britt Daniel. Das haben sie glänzend eingelöst.