Es gibt wieder Konzerte in Ludwigsburg – am Sonntag ein besonderes, für das einschneidende Erlebnisse von Menschen aus der Stadt eine wichtige Rolle spielen.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Ludwigsburg - In der Corona-Zeit ist in Ludwigsburg ein spannendes musikalisch-literarisches Projekt gewachsen: „Die ganze Welt ist eine sehr schmale Brücke“. Der Musiker Alon Wallach, der dabei die Fäden in der Hand hat, erzählt übers Zuhören im Lockdown, über einschneidende Ereignisse, die das Leben verändern, und darüber, wie daraus Konzerte, ein Buch und eine CD werden.

 

Ein neunjähriges Kind, eine im Heim lebende Seniorin, ein Musiker aus Syrien und viele Menschen mehr erzählen über sehr persönliche Dinge. Kombiniert wird das mit Musik. Welche Idee steckt hinter dem Projekt „Die ganze Welt ist eine sehr schmale Brücke“?

Die Idee des Projektes war es, dass Ludwigsburger unterschiedlichsten Alters, Kultur- und Religionszugehörigkeit und Nationalität von einschneidenden Phasen in ihrem Leben berichten. Wir haben über die Geburt, die Jugend, die Familie und über Freundschaft gesprochen, aber auch über Krankheit, Tod und andere schwere Situationen, die das Leben mit sich bringt. Zusätzlich wollten wir wissen: Wie klingen diese Lebensphasen? An welche Lieder denken die Menschen, wenn sie über dieses spezielle Kapitel ihres Lebens sprechen?

Und wie klingen sie?

Die Antworten waren so reich und bunt wie das Leben selbst. Es ist eine Sammlung von Liedern aus unterschiedlichen Epochen, Kulturen und Stilrichtungen entstanden. Durch sie werden die Geschichten auf eine sehr besondere Weise erlebbar.

Welche Musik wurde zum Beispiel mit welchem Lebenseinschnitt in Zusammenhang gebracht?

Einer unserer Protagonisten hatte eine schwere Hirnblutung und durchlief über Monate hinweg eine lange, harte Reha. Er hat das Lied „Auf dem Weg, den ich geh“ gewählt, eine Art Mantra-Lied, in dem es darum geht, dass man dem Weg vertraut. Eine andere, schon betagte Protagonistin erzählt aus ihrer Zeit in der DDR, als sie in der FDJ war. Sie hat das Lied „Katjuscha“ ausgesucht, weil es sie sehr stark an diese Zeit erinnert. Es sind aber auch Menschen mit Fluchterfahrung dabei, die in Ludwigsburg leben, oder beispielsweise eine Frau mit Behinderung, die auf der Karlshöhe wohnt. Und das eine oder andere bekannte Ludwigsburger Gesicht.

Das Projekt belässt es nicht bei persönlichen Erinnerungen und Musik, sondern stellt ihnen auch religiöse und philosophische Texte gegenüber. Weshalb?

Wir wollen mit Literatur und Musik unterschiedlicher Art die Augen dafür öffnen, dass die Themen, die uns beschäftigen, von globaler Natur sind, über die Zeiten hinweg, egal, woher die Menschen kommen. Das zeigen auch die historischen christlichen, jüdischen und islamischen Texte: Die Zeiten haben sich gewandelt, aber die Themen, die die Menschen beschäftigen, sind die gleichen geblieben. Es gibt allerdings eine spannende Diversität in den Ansätzen, über diese Themen nachzudenken. Wenn man diesen unterschiedlichen Sichtweisen begegnet, begegnet man auch neuen Denkweisen. Sie können zeigen, dass Sprache, Kultur oder Religion ein wertvoller Schatz sind und keine Bedrohung.

Ist das Projekt ein Kind der Coronazeit?

Nein, die Idee gab es schon vorher. Aber wir haben sie in der Coronazeit neu strukturiert. Und dadurch, dass wir Musiker nicht auftreten und keine Veranstaltungen machen konnten, hatte ich vergleichsweise viel Zeit für die Gespräche mit den Menschen, die zu Wort kommen. Bei ihnen zuhause zu sitzen und so intensiv zu reden, ohne zeitliche Begrenzung und Punktlandungsdruck, das war für das Projekt ein starkes Fundament. Corona hat aber andererseits zum Beispiel leider das gemeinsame Singen vereitelt. Beim Workshop mussten die Leute zu eingeteilten Uhrzeiten nacheinander kommen.

Zu dem Projekt gehören Konzerte und auch eine CD. Singen oder musizieren die Protagonisten die Lieder oder Instrumentalstücke selbst?

Manche werden selbst singen, bei anderen übernehmen das Sängerinnen oder Sänger. Den instrumentalen Part gestaltet die Asamblea Mediterranea. Das Oktett hat sich auf jüdische Musik spezialisiert und gehört zu den führenden Interpreten ihres Repertoires in Deutschland. Die Gesamtleitung übernimmt das interreligiöse Musikprojekt Trimum. Und münden wird das Projekt in ein Buch, das der Patmos Verlag herausbringen wird. Samt der CD mit der dazugehörigen Musik.

Wie finanziert sich „Die ganze Welt ist eine sehr schmale Brücke?“

Wir werden von der Bürgerstiftung Ludwigsburg, der evangelischen Friedenskirchengemeinde, dem Innovationsfonds des Landes Baden-Württemberg und der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg gefördert, die teils auch Projektpartner sind, ebenso wie die Karlshöhe und die Stadt Ludwigsburg. Wir müssen aber auch selbst Einnahmen generieren. Zum Beispiel durch Konzertkarten. Am 27. Juni machen wir in der Friedenskirche das erste Konzert innerhalb des Projekts. Auch die CD wird im Rahmen eines Konzertes aufgenommen werden, Ende Oktober und Anfang November im Scala.

Mit welchem Gefühl gehen Sie in diese jetzt entscheidende Phase des Projekts?

Ich neige sonst nicht zu Superlativen im Vorfeld. Aber dieses Projekt mit seiner längerfristigen, intensiven Vorarbeit wird toll. Ich gehe mit Selbstbewusstsein und großem Vertrauen in die jetzige Phase.

Der Künstler
Alon Wallach, 1980 in Jerusalem geboren, studierte in Haifa und Stuttgart klassische Gitarre und Musiktheorie/Gehörbildung. Er arbeitet als Arrangeur und Komponist, leitet die Musikgruppe Asamblea Mediterranea und ist musikalischer Leiter und zweiter Vorsitzender von Trimum, einem interreligiösen Musikprojekt, in dessen Rahmen in Ludwigsburg auch das Fugato-Konzert mit Geflüchteten im Forum am Schlosspark oder ein inklusiver Chor in Kooperation mit der Karlshöhe initiiert wurde.

Das Konzert
Karten für den 27. Juni gibt es unter Telefon 0 71 41 / 92 90 71, Fax 92 21 39 oder per Mail unter artundweise@elkw.de