In Stuttgart fehlt es an Auftrittsmöglichkeiten für kleine Bands. Der Verein InDieWohnzimmer e.V. holt Künstler deswegen in private Wohnungen – und bespielt am Sonntag auch einen besonderen Ort im Westen.

S-West - Schon Spitzweg wusste: Künstler sein ist nicht leicht. Wer heutzutage dennoch als Musiker durch die Gegend tingelt und sein bescheidenes Einkommen auf den Bühnen der Welt verdienen möchte, der sieht sich in Städten wie Stuttgart schnell mit einem gravierenden Problem konfrontiert: Es gibt viel zu wenige Auftrittsmöglichkeiten für kleinere Bands. Und die, die es gibt, werden gern mal wegrationalisiert. Darüber kann man lamentieren. Oder man kann etwas ändern.

 

So wie Claudia Zielfleisch und Holger Vogt. Auch den beiden begeisterten Musikhörern und Konzertgängern war die schwierige Situation in der Stadt bewusst: Kurzerhand gründeten sie den Verein InDieWohnzimmer und veranstalten seither Konzerte in Claudias Feuerbacher Wohnung – das erste am 19. November 2012, also vor fast sechs Jahren. Die Idee kam gut an, mittlerweile haben die beiden 57 Konzerte veranstaltet. Warum sie das tun? Weil ihnen der Gedanke gefällt, dass wir so an Livemusik kommen, die sonst nicht in Stuttgart Halt gemacht hätte.

Die Orte, mancher Wohnzimmerkonzerte bleiben lange geheim

Längst haben sich die beiden ein treues Stammpublikum erspielt, das in den letzten Jahren durchaus gewachsen ist. „Anfangs waren es eher Familie und Freunde, mittlerweile sind mindestens die Hälfte der Leute nicht mehr aus unserem erweiterten Bekanntenkreis“, so die Veranstalterin Claudia. Auch wenn die meisten Konzerte bei ihr in Feuerbach stattfinden, gehen InDieWohnzimmer immer mal wieder spazieren. Es gab schon Konzerte im Bunker, im Second-Hand-Shop Obscür, im Club Goldmark’s, in anderen Wohnzimmern. Und seit einiger Zeit auch an einem besonderen Ort im Westen. Mit einem sagenhaften Blick über die Stadt.

Hier wohnt Andreas, der seinen vollen Namen nicht unbedingt nennen möchte. Denn auch darum geht es bei den Wohnzimmerkonzerten: Die Location bleibt lange geheim, wird nur denjenigen verraten, die sich über die Mailing-Liste angemeldet haben. Zweimal schon hat er ein Konzert in seinen eigenen vier Wänden veranstaltet, am Sonntag, den 28. Oktober, ist Cary Morin bei ihm zu Gast, ein Native American, der sich dem seelenvollen Blues verschrieben hat. „Ich kenne Holger schon aus Grundschulzeiten am Königin-Olga-Stift. Wir sind waschechte Westler!“, erzählt Andreas. „Ich wusste also schon von seiner Veranstaltungsreihe und fand sie immer schon super. Musik bringt die Menschen zusammen – sofern man eine Bühne hat.“

Keine nervigen Handyfotografierer: Die Gäste interessieren sich wirklich für die Musik

Gut 50 Leute finden in seinem Wohnzimmer Platz, seine beiden Bernhardiner-Hunde gehen an diesem Abend mal besonders lang Gassi. Berührungsängste hat Andreas nicht. „Ich war schon auf Konzerten bei Claudia in Feuerbach und konnte mich davon überzeugen, dass die Gäste gesittet sind“, schmunzelt er. „Und wenn mal ein Glas kaputt geht, dann ist es eben so.“

Besonders gut gefällt ihm, dass zu den Wohnzimmerkonzerten lediglich Menschen kommen, die sich wirklich für die Musik und den Künstler interessieren. Nerviges Gequatsche oder gezückte Handys sucht man hier also vergebens. „Und das bei einem Publikum zwischen 18 bis 70“, schaltet sich Holger Vogt ein. „Das kennt man von Konzerten sonst ja auch nicht.“