Der Verein Indiewohnzimmer lädt zu einem außergewöhnlichen Rockevent im Feuerbacher Tiefbunker. Er könnte künftig öfter bespielt werden. Außerdem zeigt sich: Die Zukunft der Stuttgarter Konzertszene ist eine Raumfrage.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Die Stuttgarter Untergrundszene nimmt es gerne wörtlich. Seit den siebziger Jahren findet ein relevanter Teil des popmusikalischen Schaffens unter Tage statt. In ehemaligen Weltkriegsbunkern, etwa unter dem Diakonissenplatz in Stuttgart-West, oder in den Proberäumen unter dem Marienplatz bleibt man unter sich und stört niemanden.

 

Dieses Kapitel der örtlichen Musikgeschichte wird am 7. April fortgeschrieben – mit einem der seltenen Bunkerkonzerte. Im Tiefbunker am Feuerbacher Bahnhof treten die zwei britischen Bands The Indelicates und Fightmilk auf. Das wird allein deshalb zum Event, weil maximal 100 Besucher rein dürfen. Vor allem schafft der vom Verein Schutzbauten Stuttgart zum Museumsbunker ausgebaute Betonkörper eine Atmosphäre, die das intensive Erlebnis eines Punkkonzerts noch verstärkt. Die Räume sind eng, die Decken niedrig, dazu kommt die unterkühlte Atmosphäre des Atombunkers.

Im Mai 2014 spielte die irische Gitarrenband Moscow Metro dort das erste Bunkerkonzert. Seither hat der Verein Schutzbauten Stuttgart Brandschutztüren eingebaut. Die Kosten von 5000 Euro „haben wir weitestgehend selbst finanziert“, berichtet der Vorsitzende Rolf Zielfleisch. Dass der Feuerbacher Tiefbunker zur permanenten Konzertbühne wird, ist indes nicht anzunehmen – erlaubt sind trotz der Umbauten nur fünf Veranstaltungen pro Jahr. Das Bunkerkonzert sei jedoch ein Signal an die Stadtverwaltung, „dass der Bunker gebraucht wird“, so Zielfleisch.

Die örtliche Konzertszene wandelt sich

Neben der passenden Spielstätte braucht es für Konzerte dieser Art auch Veranstalter, die einiges auf sich nehmen – Equipment und Getränke schleppen, Genehmigung einholen, Künstler umsorgen, den Abend reibungslos über die Bühne bringen. Am Ende zahlen sie womöglich drauf, denn solche Liebhaberkonzerte mit bis zu 300 Besuchern lassen sich selbst mit viel ehrenamtlicher Arbeit kaum kostendeckend durchführen. Das ist eines der zentralen Ergebnisse der Gesprächsrunde zur Popmusikförderung, die das Popbüro gemeinsam mit der StZ-Popkolumne Kopfhoerer.fm Ende 2017 mit Musikern und Konzertveranstaltern organisiert hat.

Hier wandelt sich gerade die örtliche Konzertszene: Solche Auftritte werden seltener von gewinnorientierten Veranstaltern durchgeführt – dafür immer häufiger mit öffentlicher Förderung im Rücken oder von Enthusiasten. Sie holen auf eigenes Risiko jene Künstler in die Stadt, die sie selbst gerne sehen möchten.

Indiewohnzimmer ist ein Beispiel dafür. Das Feuerbacher Bunkerkonzert ist das fünfzigste seit Gründung des Vereins 2012. Normalerweise finden die Auftritte im Feuerbacher Wohnzimmer von Claudia Zielfleisch statt, der Nichte des Bunkerexperten Rolf Zielfleisch. Immer wieder drängt der Verein aber in die Stadtmitte und bespielt das Goldmark’s, den Secondhandladen Obscür in der Calwer Passage oder fremde Wohnzimmer. Andere Liebhaberkonzerte dieser Art steigen in Kellern, WGs oder improvisierten Locations, nicht nur in Stuttgart. Sie werden, wie die Szene dankbar registriert, zumindest geduldet.

Kleines Konzert – und nix verdient

„Es ist unmöglich, kleine Konzerte so zu veranstalten, dass dir selbst Geld übrig bleibt“, sagt auch Claudia Zielfleisch. Gemeinsam mit dem Co-Organisator Holger Vogt sammelt sie nach ihren Gigs bei den Besuchern Spenden ein, die komplett an die Künstler gehen. Bands übernachten im Gästebett. „Schon die Kosten für ein Hotelzimmer würden uns in die roten Zahlen bringen“, berichtet Zielfleisch. Die wenigen verbleibenden, auf kleine Konzerte fokussierten Stuttgarter Profiveranstalter leiden unter solch knappen Kalkulationen natürlich besonders.

Ums Geldverdienen gehe es nicht, man wolle auch niemandem Konkurrenz machen. „Aber es wäre doch super, wenn es in der Stadt ein, zwei Räume für nicht kommerzielle Veranstalter gäbe, die man günstig mieten kann“, findet Holger Vogt. So etwas gibt es mit dem Club Zentral bereits, das Angebot wird auch angenommen – die Bühne ist für viele Konzerte aber zu groß. „Man bräuchte eine Art öffentliches Konzertwohnzimmer“, findet Claudia Zielfleisch. Als Beispiel führt sie den Freiburger Slow Club an. Der Verein nutzt im Industriegebiet eine Bühne samt Künstlerwohnung, Ehrenamtliche machen das Programm. „Das alles“, sagt Zielfleisch, „geht nur, weil die Räumlichkeiten da sind.“

So kommt man rein

The Indelicates und Fightmilk spielen knackig laute Gitarrenmusik, die im Bunker umso intensiver wirkt. Die Besucherzahl ist streng auf 100 limitiert.

Der Eintritt ist wie auch bei den Wohnzimmerkonzerten frei. Allerdings erwarten die Veranstalter, dass die Besucher den Musikern eine großzügige Spende in den Hut werfen. Um reinzukommen, muss man sich unbedingt anmelden – und dabei möglichst schnell sein. Die Anmeldung ist ab sofort möglich und erfolgt mit der Angabe von Name und Personenzahl per E-Mail an die Adresse mail@indiewohnzimmer.dehttps://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.diakonissenbunker-in-stuttgart-west-bunker-als-kulturbuehne.90698c76-4a56-4dbb-98a1-483d7ad1e62a.html