Sie setzen neue Schwerpunkte: Bei einem Kooperationsprojekt der Ludwigsburger Gemeinschaftsschule und des Schlosses werden Kinder zu Schlossführern – und dürfen selbst bestimmen, was berichtenswert ist.

Ludwigsburg - Vincent kennt sich aus im Schloss. Vor allem über den Marmorsaal weiß der Elfjährige Bescheid – und das zeigt er den Besuchern. Mit ernster Miene berichtet er, dass der König hier früher große Feste feierte, bei denen viel gegessen und getanzt wurde. Auch auf das erstaunliche Echo in dem riesigen Saal macht er aufmerksam – und demonstriert sogleich, wie sich dieses anhört, indem er einmal kräftig in die Hände klatscht. Vincent scheint in seinem Element zu sein. Kein Wunder: Er ist einer der 15 Fünftklässler der neuen Ludwigsburger Gemeinschaftsschule, die seit Herbst zu Kinderschlossführern ausgebildet wurden.

 

Dabei konnten die Schüler selbst entscheiden, worüber sie bei der Führung berichten wollen. „Interessanterweise finden sie oft ganz andere Dinge wichtig als die Erwachsenen“, sagt die Museumspädagogin Anne Raquet, die das Projekt betreut hat. So sei beispielsweise der Toilettenstuhl, der bei Erwachsenen oft großes Interesse wecke und zu vielen Nachfragen führe, für die Schüler kaum von Belang gewesen. Dafür hätten sie sich sehr für barocke Spiele begeistert, die ihre Altersgenossen in früheren Zeiten spielten. Auch die unterschiedliche Behandlung von König und Königin scheint zu faszinieren. So berichtet etwa die elfjährige Larissa als Schlossführerin, dass nicht nur das Thronzimmer der Königin viel kleiner, sondern ihr Thron auch viel niedriger war als der des Königs.

Neue Qualität in der Bildungsarbeit

Nicht nur für die Kinder, auch für die Organisatoren ist das Projekt etwas Besonderes. Die Kooperation mit der Gemeinschaftsschule sei eine ganz neue Qualität in der Bildungsarbeit des Schlosses, sagt Stephan Hurst, Leiter der Schlossverwaltung. Zwar habe es auch vorher schon zahlreiche Angebote für Kinder und Schulklassen gegeben, aber die hätten sich meist nur über einige Stunden oder einen, höchstens zwei Tage erstreckt. Die Kinderschlossführer hingegen kommen seit Schuljahresbeginn an jedem Montag für eine dreiviertel Stunde ins Schloss, um weiter an ihrem Konzept zu feilen. „Hier gehen wir richtig in die Tiefe. Und die Kinder konsumieren nicht nur, sondern arbeiten intensiv mit“, betont Stephan Hurst.

Der Schlossverwalter hält es für besonders wertvoll, dass die Schüler vor Ort lernen: „Es ist eine ganz andere Sache, wenn man am Original-Schauplatz Geschichte erlebbar macht“, sagt er. Zudem gehe es hier nicht darum, Fakten auswendig zu lernen. „Die Schüler erarbeiten sich Fähigkeiten, die sie später sicher einmal gebrauchen können“, glaubt Hurst – etwa das freie Sprechen vor einer Gruppe. Zudem sei es von großem Vorteil, wenn die Kinder über ihre eigene Stadt und deren Geschichte Bescheid wüssten: „Das ist identitätsstiftend“, sagt der Schlossverwalter.

Auftritt stärkt das Selbstbewusstsein

Auch Anne Raquet ist überzeugt von dem Projekt: „Das zeigt einmal mehr, wie begeisterungsfähig Kinder sind.“ Es könne keine Rede davon sein, dass die junge Generation nur noch fernsehen, vorm Computer sitzen und am Smartphone herumspielen wolle. Im Übrigen sei der Effekt der Aktion enorm: „Der Auftritt als Schlossführer stärkt das Selbstbewusstsein unglaublich“, hat die Museumspädagogin beobachtet. Auch Kinder, die zu Beginn noch schüchtern und zurückhaltend gewesen seien, würden sich nun auf ihren großen Auftritt freuen: Am Tag der offenen Tür der Gemeinschaftsschule am 20. Februar dürfen sie ihre Eltern, Lehrer und Mitschüler durch das Schloss führen.

Angebote für die jungen Besucher

Zahlen
Nach Angaben der Schlossverwaltung haben im vergangenen Jahr 850 Schulklassen das Ludwigsburger Residenzschloss besucht. Zusätzlich haben sich insgesamt etwa 15 000 Kinder im „Kinderreich“ vergnügt oder andere spezielle Angebote für ihre Altersgruppe wahrgenommen. Hinzu kommen noch etwa 20 000 junge Besucher, die am Begleitprogramm der Lego-Ausstellung im Jahr 2015 teilgenommen haben.

Angebote
Das Kinderreich im Residenzschloss ist eigens auf die kleinen Besucher abgestimmt. Hier darf man Dinge anfassen, sich in barocke Gewänder kleiden oder ein Theaterstück auf der historischen Bühne spielen. So soll den Kindern das Leben am Hofe anno dazumal spielerisch nahe gebracht werden. Zudem gibt es eine spezielle Kinderführung, auch Kindergeburtstage können im Schloss gefeiert werden. Neuerdings wird außerdem eine Nachtführung für die ganze Familie angeboten.