Vier Jahre lang lernten behinderte und nicht-behinderte Kinder gemeinsam ian der Sophie-Scholl-Schule. Alle Beteiligten ziehen eine positive Bilanz.

Leonberg - „Ich und du, wir sind behindert, wir brauchen eine Brille, damit wir gut sehen können. Er versteht manches nicht und ist nicht schnell“, sagt sie über ihren Tischnachbarn. „Aber ich verstehe auch einiges nicht, versteht du immer alles?“ So hat vor Jahren eine Zweitklässlerin den Reporter in die vorurteilslose Welt der Kinder zum Thema Behinderung eingeführt. Sie ist Grundschülerin in einer Kooperationsklasse mit der Karl-Georg-Haldenwang-Schule gewesen.

 

Eine solche Kooperationsklasse ist im Schuljahr 2017/2018 auch an der Leonberger Sophie-Scholl-Schule eingerichtet worden. Kooperationsklassen prägen seit vielen Jahren die Bildungslandschaft im Altkreis Leonberg. Sie sind gelebte Inklusion. Auf diese Weise sollen Kinder voneinander lernen. Im Unterricht gilt es, die Vielfalt der Kinder zu nutzen und mit dieser zu arbeiten – alle lernen individuell und bekommen die Chance, ihr Bestes zeigen zu können, mit oder ohne sonderpädagogischem Förderbedarf.

Behinderte und nicht-behinderte Kinder in einer Klasse

So bildeten Schülerinnen und Schüler der Karl-Georg-Haldenwang-Schule (KGHS) und Schüler der Sophie-Scholl-Grundschule eine gemeinsame Kooperationsklasse, die ihren festen Sitz an der Grundschule hat. Die KGHS ist ein sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Formal zählen die Schüler mit sonderpädagogischem Bildungsanspruch weiterhin zur KGHS, erleben sich aber als eine Klasse.

Doch nun sind vier Jahre um und die Wege der Mädchen und Jungen trennen sich. Zum Abschluss der gemeinsamen Schulzeit hatten sich die Lehrerinnen am Mittwoch etwas Besonderes einfallen lassen. Auf dem Gelände des CVJM Eltingen am Tiefenbach waren vier Stationen eingerichtet – für vier gemeinsam verbrachte Schuljahre. Es galt, miteinander den Zahlencode für die Schatzkiste zu entdecken, wobei es auf jedes Kind ankam. Aufs Neue haben sie ihre gute Zusammenarbeit und ihren Einfallsreichtum in unterschiedlichsten Situationen erlebt.

Eigene Bildungspläne

Die Grundlage des Unterrichts in der Kooperationsklasse bilden die jeweiligen Bildungspläne der beiden Schularten, da die Schüler zwar an gemeinsamen Inhalten lernen, dies jedoch zieldifferent geplant wird angesichts der unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Kinder. In der Klasse arbeiten Lehrkräfte beider Schularten in einem Team. „Es soll so viel wie möglich gemeinsamer und nur wenn nötig getrennter Unterricht stattfinden“, erläutert Timur Erdem, der Leiter der Haldenwang-Schule.

Vorurteile, Berührungsängste und Unsicherheiten werden durch das tägliche Zusammenlernen abgebaut. Die Klassenlehrerinnen Sabine Freeman und Kathrin Locher ziehen eine erfolgreiche Bilanz: „Wir durften miterleben, wie in dieser Zeit eine ganz besondere Gemeinschaft aufgebaut wurde. Die Kinder haben sich aneinander erfreut und in allen Situationen unterstützt. Im Unterricht wurde jeder von allen in seiner Persönlichkeit respektiert. Wir durften Zeuginnen von sehr berührenden Momenten werden.“

Auch die Eltern ziehen mit

Auch die Eltern waren zufrieden mit der Schulzeit an der Sophie-Scholl-Schule. Die Lehrkräfte von der Haldenwang-Schule haben auch die Fragen der anderen Grundschüler nicht unbeantwortet gelassen, sodass letztendlich alle davon profitiert haben. Die Schulleiterin der Sophie-Scholl-Schule, Agnes Hoffmeister, schmiedet bereits Pläne für die Zukunft. „Wir können uns gut vorstellen, beim nächsten Durchgang wieder eine Kooperationsklasse aufzunehmen, weil es dabei nur Gewinner gibt“, sagt sie.

Timur Erdem hat Grund zur Freude. „Da nach den durchweg positiven Erfahrungen an der Sophie-Scholl-Schule der Wunsch bei den Eltern nach einer Anschlusslösung in der Sekundarstufe bestand, habe ich eine neue Kooperationsschule gesucht. Schnell bot sich die Theodor-Heuglin-Schule in Hirschlanden an, wo eine neue Kooperation in Klasse 5 entstehen wird“, ist er zufrieden.