In die vielen kleinen Fenster am oberen Deckenrand von Kreisz’ Werkstatt scheint die Sonne eines heißen Julitages, es ist zu hell für das Schattentheater. Kreisz zieht die schwarzen Stoffvorhänge zu, dann stellt sie sich hinter die weiße Leinwand, die das Zentrum des Raumes ist. Sie wirft die grelle Lampe an; auf der anderen Seite sind die zweidimensionalen Figuren nun als Schatten zu erkennen. Die Wasserfrau selbst ist strahlend blau wie das Gewässer, auf dessen Grund sie sitzt. Für ein einziges Stück braucht Adelheid Kreisz bis zu 40 Figuren. Einige davon macht sie doppelt – damit sie mit ihnen die Richtung wechseln kann, ohne dass die Arme an der falschen Seite des Körpers hängen.

 

Eigentlich ist Kreisz Puppenspielerin, das war sie zumindest lange Zeit. Noch heute verdient sie sich damit ihr Brot; einmal im Jahr spielt sie im Stuttgarter Staatstheater mit ihren Puppen eine Szene im „Freischütz“. Ihr Herz aber hängt an den Schattenfiguren. Schon als Kind war sie fasziniert vom Spiel von Hell und Dunkel – seit ihr Vater ihr ein Buch über die „Ferne Tropeninsel Java“ geschenkt hatte, in dem das Schattenspiel beschrieben war. Kreisz erzählt, wie sie als Kinder gegenseitig den Schatten gefangen haben. „Das war faszinierend, aber auch ein bisschen unheimlich.“ Ihre Figuren sind es nicht – auch wenn ihr Liebling der fratzenziehende Tod ist, gleichauf mit den fröhlichen Perlhühnern, die ihre Enkelkinder gebastelt haben.

Das nächste Projekt wartet schon

Sie baumeln am Fenster in Kreisz’ Werkstatt, wo ringsum noch so viele andere Figuren hängen. Wie viele sich im Laufe der Zeit angesammelt haben, weiß sie nicht mehr. Manche kommen irgendwann weg, einen zweiten Auftritt haben sie selten. Einige sind aus Plastik, andere aus Pergament, was Adelheid Kreisz gerne mag, ihr aber eigentlich zu teuer ist: „Als ordentliche Schwäbin blutet mir bei jedem Verschnitt das Herz.“ Mit einem Cuttermesser oder mit der Schere schneidet sie die Figuren zurecht, ihre Hände, Kopf, Finger; Gelenke aus Schrauben oder Schnur halten sie am Ende zusammen. Die Proben für den Auftritt am nächsten Wochenende sind schon in vollem Gang. Wie eigentlich jedes Mal kann es Adelheid Kreisz aber kaum abwarten, bis sie sich dem nächsten Projekt widmen kann. Deshalb spielt sie die Stücke meist nur wenige Male. Auch jetzt ist die Strippenzieherin gedanklich schon bei der nächsten Produktion. Es soll abstrakt werden – und die Figuren aus Pergament.