Seit bald 20 Jahren spielt Adelheid Kreisz Schattentheater. Für jedes Stück bastelt sie in mühevoller Kleinarbeit neue Figuren – und bei der Aufführung ist sie gedanklich schon beim nächsten Projekt. Ein Werkstattbesuch.

Korntal-Münchingen - Die Werkstatt von Adelheid Kreisz offenbart die Bastlerin. In dem Raum im Keller ihres mit Efeu bewachsenen Hauses in Korntal lagern in aufgereihten Kartons bunte Folien, rote, blaue, gelbe; auf einer massiven Arbeitsplatte aus Holz liegen verstreut Kleber, Schere und Bohrmaschine. Und natürlich Figuren, geschnitten aus Pergament oder Plastik. Die 71-Jährige ist Schattenspielerin. Im Dickicht ihres verwinkelten Kellers bereitet sie sich auf ihre nächste Aufführung vor: die „Schöne Lau“, frei nach Eduard Mörike, in der Ziegelhütte in Bissigen/Teck.

 

Adelheid Kreisz wird dann allein hinter der Leinwand stehen, nur sie bewegt die Figuren. Begleitet wird sie von einer Flötistin und einem Gitarristen, die die Hintergrundmusik liefern. Wenn Kreisz mit ihrem Schattentheater auftritt, kommt alles darauf an, dass ihre Figuren so ausdrucksstark sind, dass die Zuschauer die Geschichte auch ohne Worte verstehen. Denn die Figuren von Kreisz sagen nichts. „Das mag ich nicht“, sagt die Frau mit den kurzen grauen Haaren, und ihre Augen blitzen auf. „Ein Schatten spricht für mich nicht.“

Die Inspiration kommt ihr in der Provence

Kreisz ist Perfektionistin, bei den Figuren muss alles stimmen. Mal sei eine Figur im Nu fertig, sagt Kreisz – und mal feile sie daran wochenlang. „Der Ausdruck ist essenziell. Wenn etwas nicht passt, ärgere ich mich.“

Bis zu einem Jahr dauert es, bis die Schattenspielerin eine neue Produktion vorbereitet hat. Den Startschuss liefert traditionell ein Urlaub in der Provence, den Kreisz bewaffnet mit einem Stapel Bücher antritt. „Da zeigt sich dann, welcher Stoff sich eignet und welcher nicht.“ Längere Geschichten etwa seien schwierig – zu viele Protagonisten machen das Ganze kompliziert, und schließlich hat Kreisz auch nur zwei Arme. Sie reiht viel lieber unterschiedliche Erzählungen aneinander, Gedichte oder Märchen zum Beispiel. Was aus dem Stück wird, hängt immer auch von der Interpretation der Erzählung ab. So auch bei der „Schönen Lau“, der Wassernixe, die von ihrem Mann in den Blautopf auf der Alb verbannt wird, weil sie nur tote Kinder gebiert. Kreisz mag diesen Punkt mit den Kindern nicht, sie findet das gruselig. Ihre Lau ist stattdessen depressiv. „Sie findet schließlich ihr Lachen erst wieder, als sie sich für ihre neue Umgebung interessiert“, erklärt Kreisz ihre Deutung. „Depressive Stimmungen haben viel damit zu tun, dass wir zu viel in uns drin sitzen.“