Alexander Brunotte geht. Der Stadtarchivar von Korntal-Münchingen verabschiedet sich in unruhiger Zeit in den Ruhestand.

Korntal-Münchingen - Nach rund zwei Jahrzehnten ist Schluss – Alexander Brunotte zieht sich aus dem Berufsleben zurück. Die Zeit sei gut gewesen, sagt der Stadtarchivar von Korntal-Münchingen. Niemand habe ihm jemals gesagt, wie er mit den im Stadtarchiv lagernden Dokumenten zu einer in der Gegenwart diskussionswürdigen Angelegenheit umzugehen habe, sagt er. Niemand habe ihn je dazu angehalten, Unterlagen unter Verschluss zu halten. Abgesehen davon wäre er einer solchen Anweisung wohl auch nicht nachgekommen, ohne wenigstens zur Gegenrede angehoben zu haben.

 

Es geht nicht allein um den Erhalt der Gebäude

Die Stadt hat sich verändert in seiner Dienstzeit, etliche Gebäude verschwanden, die alte Wäscherei zum Beispiel. Der Saalplatz bekommt ein neues Gesicht, in Münchingen wich das Kronenstüble, der Vollsortimenter wird die Anmutung eines Quartiers verändern. Der Historiker bewertet die Einzelentscheidungen nicht, auch nicht die einzelnen Argumente eines Für und Wider. Aber er merkt auch an, „die Stadt hat einiges an Verlust der historischen Bausubstanz zu beklagen“. Mit Blick auf umgesetzte und geplante Veränderungen am Korntaler Saalplatz etwa sagt er, „vom historischen Herz der Gemeinde bleibt nicht mehr viel übrig“, um grundsätzlicher anzumerken, es gehe dabei nicht allein um den Erhalt der Bauten. „Identität drückt sich in der Entwicklung der Gemeinde sinnfällig aus.“

Gefahr der Austauschbar droht

Gebäude seien „Geschichte, an der man täglich vorbeigeht“. Sind sie nicht mehr vorhanden, würden die Kommunen vergleichbar. Mehr noch: „Da wird man austauschbar.“ Man könne kein Gebäude unter eine Käseglocke setzen, sagt der Archivar, „aber das Bewusstsein für den historischen Wert sollte Grundlage der Entscheidung sein“.

Der Historiker hat die Stadtentwicklung intensiv begleitet, meist für die Öffentlichkeit wenig sichtbar, im Hintergrund. Vergleichsweise selten waren die Momente, in denen er selbst in der Öffentlichkeit auftrat. Nicht, weil er nicht gewollt hätte, aber meist brachte er seine Informationen als Entscheidungsgrundlage im Gemeinderat ein. Oder er verantwortete gemeinsam mit der damaligen Leiterin des Heimatmuseums Ausstellungen und Veranstaltungen in dem Haus.

Scharfe Debatte um Nazi-Straßennamen

Wenn er doch öffentlich vor interessiertem Publikum aus dem Ort auftrat, bewertete er nicht den Anlass für seine Ausführungen. Er ließ die Fakten sprechen. So geschehen, als der Gemeinderat über die Umbenennung von Straßen diskutierte. „Die Schärfe des Konflikts hätte ich so nicht erwartet“, sagt Brunotte noch heute. Letztlich beschlossen die Stadträte nach einer mehr als ein Jahr andauernden intensiven Diskussion, die nach Nazi-Idolen gewählten Straßennamen aus dem Stadtbild zu tilgen.

Der Archivar machte Stadtgeschichte zugänglich. Das war über all die Jahre eine seiner vornehmlichsten Aufgaben gewesen. Daran soll sich auch nichts ändern, wenn das Archivgut digitalisiert ist und auf einem Server außerhalb der Stadtmauern gespeichert wird. Brunotte hatte auch vor diesem Hintergrund dafür geworben, seine Stelle wieder zu einer Vollzeitstelle zu machen. Der Gemeinderat lehnte ab, zu Brunottes Bedauern. Doch der Archivar werde mehr denn je benötigt, ist der 65-Jährige überzeugt. Wie die Akte aus Papier müsse ja der schnelle Zugriff auf den digitalen Schriftverkehr gewährleistet sein. Das müsse die Stadt noch immer selbst leisten, auch wenn sie sich auf dem Server quasi einmietet.

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Besonders in Erinnerung blieb Brunotte das Bemühen, Leben und Sterben des Münchinger Tagelöhners Jakob Hönes nachzuzeichnen. Nicht nur Angehörige des im Ersten Weltkrieg Gefallenen waren daran interessiert, auch die BBC war involviert. Letztlich wurde an der Stelle in Nordfrankreich, an der die sterblichen Überreste von Jakob Hönes, seines Kameraden Albert Thielecke und eines britischen Soldaten gefunden wurden, ein Gedenkstein aufgestellt: Erstmals in Frankreich wurde drei Männern, die im Ersten Weltkrieg auf verschiedenen Seiten gekämpft hatten, gemeinsam gedacht.