Das Sündenregister war lang, das vor drei Jahren bei dem Vergleich von Daimler mit dem US-Justizministerium und der US-Börsenaufsicht (SEC) aufgelistet wurde. Nun stellt der ehemalige FBI-Chef Louis Freeh dem Stuttgarter Autobauer ein gutes Zeugnis aus.

Stuttgart - Das Sündenregister war lang, das vor drei Jahren bei dem Vergleich von Daimler mit dem US-Justizministerium und der US-Börsenaufsicht (SEC) aufgelistet wurde. Nach Unterlagen der US-Justizbehörden hatten Mitarbeiter des Stuttgarter Konzerns auf verschlungenen Wegen über Jahrzehnte hinweg in mindestens 22 Ländern, darunter China, Russland, Ungarn, Irak und Indonesien, Schmiergelder an Staatsbedienstete gezahlt, um Aufträge für die Lieferung von Fahrzeugen zu erhalten.

 

Im Rahmen des Vergleichs zahlte Daimler eine Geldbuße 185 Millionen Dollar. Zudem mussten sich die Stuttgarter drei Jahre lang von einem Aufpasser, dem ehemaligen FBI-Chef Louis Freeh überwachen lassen. Falls der „Monitor“ dem Unternehmen kein gutes Zeugnis ausstellte, drohte der Rechtsstreit mit den US-Behörden wieder aufzuflammen.

Der Aufseher nennt die Anstrengungen von Daimler vorbildlich

Freehs erster vertraulicher Bericht an die US-amerikanischen Behörden über die Anstrengungen von Daimler zur Eindämmung der Korruption war dem Vernehmen nach wenig schmeichelhaft. Der erste Folgebericht soll dem Stuttgarter Autohersteller zwar Fortschritte attestiert, aber immer noch Mängel aufgelistet haben. Gestern jedoch lobte Freeh Daimler bei der Hauptversammlung in den höchsten Tönen. Daimler sei ein großartiges Unternehmen und habe Standards zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung eingeführt, die branchenweit vorbildlich seien, sagte Freeh, der seine Arbeit offiziell Ende März beendet hat.

Dass das Zeugnis des US-Aufpassers so gut ausgefallen ist, dürfte auch damit zusammenhängen, dass Daimler vor zwei Jahren ein eigenes Vorstandsressort für Recht und Integrität geschaffen und sehr prominent mit der ehemaligen Bundesverfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt besetzt hat. Unter ihrer Führung sind alle unternehmensinternen Regelungen, die dafür sorgen sollen, dass nur anständige Geschäfte gemacht werden, auf den Prüfstand gestellt worden. Es sei eine „mühsame Kärrnerarbeit“ gewesen, die im Laufe der Jahre entstandenen vielfältigen Vorschriften durchzugehen, sagte die Juristin. Teilweise seien gleiche Tatbestände doppelt geregelt gewesen, manche Vorschriften hätten sich auch widersprochen oder seien recht unverständlich gewesen.

Die Zahl der unternehmensinternen Richtlinien sei auf diese Weise von 1800 auf 700 reduziert worden. Auch heute gebe es noch einige Unsicherheiten in der Belegschaft, räumt Hohmann-Dennhardt ein. Manche Mitarbeiter wünschten ein Handbuch. „Das machen wir aber nicht“, stellte die ehemalige Verfassungsrichterin klar. Die Mitarbeiter müssten selbst ein Verständnis dafür entwickeln, welche Verhaltensweisen problematisch seien. Damit dies gelinge, sei viel Schulung und Kommunikation erforderlich und müsse Hilfestellung in schwierigen Fällen gegeben werden.

Auch das unternehmensinterne System, mit dessen Hilfe Mitarbeiter Regelverstöße melden können, ist überarbeitet worden. Weltweit gibt es dafür spezielle Hotlines. Seit dem vergangenen Jahr können Mitarbeiter sich in solchen Fällen auch an einen externen Ombudsmann wenden. Durch dessen anwaltliche Schweigepflicht soll Anonymität garantiert werden. Insgesamt wurden laut Hohmann-Dennhardt im vergangenen Jahr rund 1100 Fälle gemeldet. Viele seien jedoch unbegründet gewesen. An der Spitze der Verstöße habe nicht Korruption gestanden, sondern Diebstahl und Untreue.

Ein Beirat für Integrität soll die Anstrengungen begleiten

Im vergangenen Herbst ist zudem ein Beirat für Integrität und Unternehmensverantwortung gegründet worden, der die Anstrengungen des Stuttgarter Konzerns „konstruktiv begleiten“ soll. „Es ist wichtig, dass fachkundige Leute von außen darauf schauen, was wir tun“, meint Hohmann-Dennhardt. Bis jetzt besteht dieses Gremium aus neun Mitgliedern mit recht unterschiedlicher Prägung. Der ehemalige „Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust zählt ebenso dazu wie der Umweltwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker sowie der Kriminalitätsforscher Kai Bussmann von der Universität Halle-Wittenberg. Das Gremium soll sich zwei- bis dreimal im Jahr treffen. Die nächste Sitzung findet im Juni statt. Solch einen Beirat gebe es seines Wissens bei keinem anderen Unternehmen, sagte Bussmann, der seit Jahren Studien zur Wirtschaftskriminalität durchführt. Er hat ein großes wissenschaftliches Interesse an dem Projekt. So nah komme man sonst einem Unternehmen nicht, meinte der Juraprofessor.

Auch der bisherige „Monitor“ Louis Freeh soll in einigen Monaten Mitglied dieses Beirats werden und damit in neuer Rolle und anders als bisher ohne Vergütung das Stuttgarter Unternehmen begleiten. Die Initiative dazu ging von Christine Hohmann-Dennhardt aus. „Er hat zuerst erstaunt geschaut“, schilderte sie die erste Reaktion des ehemaligen FBI-Chefs auf ihre Frage, „aber nach ein, zwei Tagen hat er angerufen und gesagt: Ich bin dabei.“