Um die Bestechlichkeit bei Polizisten zu bekämpfen, setzt Albanien auf Körperkameras. Derzeit laufen in dem Land Hunderte von Verfahren gegen uniformierte Staatsdiener.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Tirana - Zur Premiere des angeblich unbestechlichen Video-Auges war selbst Albaniens mächtigster Mann in das Polizeihauptquartier von Tirana geeilt. Als „epochalen Sprung“ bei der Verbesserung der Beziehung zwischen Polizei und Bürger pries der Premier Edi Rama die Einführung der neuen Arbeitskluft. „Jede Sekunde“ würde die Beamten künftig überwacht, versicherte Rama: Die in die Westen der Polizei eingearbeiteten Körperkameras sollten deren Arbeit transparenter machen.

 

Einen verschärften Kampf gegen die Korruption mahnte Brüssel im jüngsten Fortschrittsbericht für den von Tirana begehrten Beginn der Beitrittsverhandlungen an. 3,7 Millionen Euro hat der gescholtene EU-Anwärter nun zumindest schon einmal in die Anschaffung von 584 Antikorruptionskutten für die Verkehrspolizei investiert. Denn wie die Kollegen der Nachbarstaaten genießen auch Albaniens uniformierte Wegelagerer den eher zweifelhaften Ruf als nimmersatte Kellenschwinger: Bestechungsgelder für die vermeintlichen Freunde und Helfer sind auch in Albaniens Straßenverkehr alltäglich.

Die Dienstherren der Beamten sind schlechte Vorbilder

Seine Regierung habe die „am schlechtesten ausgebildeten Polizisten Europas“ übernommen, klagt der seit 2013 amtierende Premier. Gegen rund 2000 Gesetzeshüter würde derzeit ein Straf- und Disziplinarverfahren laufen, übt sich auch Innenminister Saimir Tahiri in Staatsdiener-Schelte: Dank der neuen Kameras seien Beamte künftig jedoch nicht mehr in der Lage, „Gefälligkeiten“ zu erweisen.

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Denn es sind nicht nur ihre kargen Bezüge, sondern auch das schlechte Beispiel ihrer Dienstherren, der Albaniens findige Gesetzeshüter unablässig nach Nebeneinkünften schielen lässt. Egal, welcher Parteiclan im Land das Sagen hat: in dem Niedriglohnland, wo das Durchschnittsgehalt nur wenig über 300 Euro liegt, erfreuen sich „geschäftstüchtige“ Politiker, Richter und Staatsanwälte traditionell eines erstaunlich fürstlichen Lebenswandels.

Die Opposition spricht von „irreführender Propaganda“

Über die „irreführende Propaganda“ der Regierung in Sachen Körperkameras ereifert sich Oppositionschef Lulzim Basha, der das Video-Auge in den Revers von Ministern bei deren Kontakten mit der Halbwelt vermisst: „Jede Technologie zur Verbrechensbekämpfung ist willkommen, aber in den falschen Händen bewirkt sie das Gegenteil.“ Im entscheidenden Moment würden die Körperkameras dann aber mit Sicherheit einen „Defekt“ aufweisen – und nicht funktionieren, orakelt der Chef der konservativen PD sarkastisch.

Der Mann weiß tatsächlich über die Tücken des Polizei-Alltags Bescheid: Als Ex-Innenminister war er schließlich einst selbst für die uniformierten Staatsdiener verantwortlich. Doch trotz seiner Unkenrufe haben sich die Video-Westen zumindest bei den ersten Testeinsätzen als unerbittliche Tatzeugen versuchter Korruption erwiesen. Bestechliche Beamte ließen sich von ihnen zwar wohlweislich nicht ertappen, aber dafür nahmen die Körperkameras umso häufiger bestechungswillige Autofahrer ins Visier.