Luxuswohnungen zum Aldi-Preis: bulgarische Spitzenpolitiker kauften sich günstig in ein Immobilienprojekt in der Hauptstadt Sofia ein. Jetzt wird wegen Korruption ermittelt.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Sofia - Von Reue oder gar Schuldbewusstsein wird Bulgariens prominentester Schnäppchenjäger offenbar nicht geplagt.  Er habe kein Verbrechen begangen, und es gebe „nichts, für das ich mich schämen müsste“, versicherte vor wenigen Tagen Zwetan Zwetanow, bevor er von seinem Amt als Fraktionschef der regierenden konservativen GERB-Partei zurücktrat und auch sein Mandat im Parlament von Sofia niederlegte.

 

  Seinen Karriereknick hat der nach Premier Bojko Borissow bislang mächtigste Politiker in Bulgarien einem fragwürdigen Immobiliengeschäft zu verdanken: Für ein Viertel des Marktwerts soll der GERB-Wahlkampfchef im vergangenen Juni eine 240 Quadratmeter große Luxuswohnung in Sofias geplantem Nobelviertel Iztok erworben haben.   Ausgerechnet kurz vor den nahenden Europawahlen im Mai hat Bulgariens Regierungspartei GERB damit ein sich ausweitender Korruptionsskandal ereilt, der bereits vier ihrer Würdenträger ins Straucheln gebracht hat. Außer Zwetanow sind auch die Justizministerin und frühere Präsidentschaftskandidatin Zezka Zatschewa, die stellvertretende Sportministerin Wanja Kolewa und der stellvertretende Energieminister Krasimir Parwanow zurückgetreten.

Luxus zum Billigpreis

Der Grund: Ihre kostengünstigen Wohnungskäufe bei der Immobiliengesellschaft Arteks legen den Verdacht der Korruption nahe. Ermittler vermuten, dass die Regierungspolitiker sich ihre Unterstützung für den Bau von Sofias neuem Büro- und Luxuswohnungskomplex mit dem bezeichnenden Namen „Goldenes Zeitalter“ kräftig vergolden ließen.   So soll Zwetanow umgerechnet nur 627 Euro pro Quadratmeter für seine vermeintliche Billigbude bezahlt haben, obwohl deren tatsächlicher Wert auf 2500 bis 3500 Euro pro Quadratmeter geschätzt wird. Die Staatsanwaltschaft und die nationale Antikorruptionsbehörde überprüfen derzeit, ob der einstige Innenminister sich einer Straftat schuldig gemacht hat.

Der skandalerprobte Zwetanow sieht sich dagegen vor allem als Opfer. Die Vorwürfe seien nichts anderes als Teil einer bewussten „Lügenkampagne“ im Vorfeld der nahenden Europawahlen. Er sei das „politische Gesicht“, das genau vor dem Urnengang gebrandmarkt werden sollte.   Tatsächlich könnte der „Apartmentgate“-Skandal seiner Partei, die bislang in den Umfragen mit rund 35 Prozent der Stimmen in der Wählergunst klar vorne liegt, bei der Europawahl Stimmen kosten.

Ein Radiosender deckt auf

Doch es ist keineswegs – wie von Zewtanow suggeriert – die Opposition, sondern der nach 15-jähriger Pause seit Jahresbeginn wieder arbeitende bulgarische Dienst von Radio Free Europe, der die zweifelhaften Immobiliengeschäfte der GERBSchnäppchenjäger ans Tageslicht befördert hat.   Nach Meinung des Sofioter Analysten Stojtscho Stojtschew dürfte der Skandal aber kaum wahlrelevante Folgen haben. Der in seiner Partei sehr populäre Zwetanow werde auf Bulgariens Politparkett und vor allem in der GERB eine Schlüsselfigur bleiben.

Das scheint sich zu bestätigen. Zwetanow geht – und bleibt zugleich. Tatsächlich ist er nur als Fraktionschef abgetreten, als Wahlkampfchef und Vizeparteichef will der Borrisow-Vertraute aber weiter ausharren. Spöttelnd sprechen die Kommentatoren der bulgarischen Medien in Anlehnung an das britische Brexit-Zaudern bereits vom bulgarischen „Zwexit“.